Ist ein angemessener Preis auch ein fairer Preis? – Im Interview mit Bäcker Marlon Gnauck

Marlon Gnauck ist ein #echterBäcker, der seine Produkte nach traditionellen Methoden herstellt und dabei den Qualitätsansprüchen von heute gerecht wird. Im Interview haben wir mit ihm darüber gesprochen, was für ihn einen fairen Preis für seine Produkte ausmacht, welche Faktoren dabei eine besondere Rolle spielen und wie es möglich ist, allen Mitarbeiter*innen und Lieferant*innen einen fairen Lohn zu zahlen.  

©Dirk Sukow

Wie würdest du einen fairen Preis definieren?

Ein fairer Preis bedeutet für mich, dass alle beteiligten Personen in der Wertschöpfungskette vernünftig davon leben können. Ich möchte meinen Vorlieferant*innen mit einem guten Gewissen in die Augen schauen und ihnen mit Respekt begegnen. Für mich gibt es einen bedeutenden Unterschied zwischen angemessenen und fairen Preisen, denn was viele Kund*innen als einen angemessenen Preis bezeichnen, hat oft nichts mit fair zu tun. Das lässt sich an Hand eines Beispiels gut auf den Punkt bringen: nämlich am Preis von Butter. Dieses Beispiel eignet sich so gut, weil man nur mit dem Rohstoff Milch rechnen muss. 

In 1 Kilogramm Butter stecken ca. 20 Liter Milch. Das lässt sich ganz einfach ausrechnen, weil normale Kuhmilch einen Fettgehalt von 3,8 % ( ≈ 4%) aufweist und der Fettgehalt von Butter bei 82 % ( ≈ 80%) liegt. Geht man in den Supermarkt, kann man dort ein Stück Butter (250g) für 1,50 Euro kaufen. Heißt, im Einzelhandel kostet 1 Kilogramm Butter hochgerechnet 6 Euro. Teilt man diesen Preis durch die Menge an Milch, die für 1 Kilogramm Butter benötigt wird, kommt man auf einen Preis von 0,30 Euro für einen Liter Milch, nachdem sie hergestellt, transportiert und die Mehrwertsteuer addiert wurde. Auch die Molkerei will noch etwas daran verdienen. Pi mal Daumen sagt man, dass ein Milchbauer mindestens 0,35 cent zum Überleben braucht.

Man kann also sagen: ein angemessener Preis, also was Kund*innen als angemessen ansehen und was sie über die Jahre gelernt haben, das ein Stück Butter zwischen 1,10 und 1,50 Euro kostet, ist kein fairer Preis. Am Ende müsste der Preis für 1 Kilogramm Butter mindestens zwischen 8 und 10 Euro liegen. Das wäre ein fairer Preis, der allen in der Lieferkette ein gutes Leben ermöglichen würde.

©Dirk Sukow

Und wie verhält es sich für den Rohstoff Mehl?

Ich bezahle für mein Mehl ein Drittel mehr, als der Weltmarkt hergibt und teilweise sogar doppelt so viel. Das liegt vor allem daran, dass wir uns Getreidesorten ausgesucht haben, die nicht am Weltmarkt gehandelt werden. Ein klarer Vorteil ist, dass die Getreideerzeuger*innen den Preis für ihr Getreide verlangen können, den sie benötigen. Dasselbe gilt auch für die Mühlenberiebe, denn es gibt kein Diktat von Extern, was das Getreide kosten soll. 

In unseren Broten verarbeiten wir Dickkopfweizen, Rotschaligen Weizen und  Waldstaudenroggen. Diese alten Sorten haben eine Wuchshöhe von 1,60 bis 2,20 Meter, sowie eine Wurzeltiefe von bis zu 0,5 Metern. Im Vergleich: Die industriellen Weizen-Arten erreichen Wuchshöhen von etwa 0,5 bis 1 Meter. Die alten Sorten können aus mehreren Erdschichten Nährstoffe und Wasser beziehen, brauchen weniger Düngung und sind deshalb viel verträglicher für Boden und Grundwasser. Ich möchte mehr Landwirt*innen überzeugen, dass sie dieses Getreide anbauen, denn sie sind viel robuster, sodass es seltener zu wetterbedingten Ernteausfällen kommt.

Welche Faktoren müssen in Preise für z.B. Brot mit einberechnet werden, die für Konsument*innen nicht sichtbar sind?

Der größte Posten sind die Lohnkosten. 60 % vom Brot sind wirklich nur Lohnkosten. Direkt nach den Lohnkosten kommen die Rohstoffkosten die ich mit ca. 11 bis 12 % angeben würde. Die Mehrwertsteuer für Backwaren liegt bei 7 %. Die Energiekosten sind beim Brot höher als die Rohstoffkosten, weil zum Backen viel Energie benötigt wird. Ich würde diese Kosten auf ca. 10-15 % schätzen. Der restliche Teil geht dann für alle Nebenkosten drauf, also Logistik und Anschaffungskosten für Maschinen. Wenn eine Bäckerei heute neu eingerichtet wird, muss man selbst im kleinen Rahmen mit Kosten von 250.000 bis 300.000 Euro rechnen und diese Kosten müssen sich irgendwie über das Brot, das in den nächsten 10 Jahren gebacken wird, amortisieren. Allein ein Backofen kosten in der Anschaffung ca. 75.000 bis 80.000 Euro und auch für eine große Knetmaschine ist man schnell mal 25.000 bis 30.000 Euro los.

©Dirk Sukow

Wie viele Mitarbeiter*innen sind in deinem Betrieb beschäftigt und wer übernimmt die Verteilung bei den Marktschwärmern? 

Ich habe 7 Mitarbeiter*innen in der Backstube, 3 im Verkauf und eine Mitarbeiterin für den Bereich Marketing und Werbung. Den Transport zu den Marktschwärmern und die Verteilung vor Ort übernehme ich persönlich. Für mich ist der Verkauf bei den Marktschwärmern fast eine Art Entspannung, weil ich weiß, dass alles was ich im Auto dabei habe, bereits verkauft ist und kein Risiko besteht, dass etwas am Ende übrig bleibt. Trotzdem muss auch hier die Arbeitszeit beachtet werden. Das Packen der Kisten für die Verteilung dauert ca. 1 ½ Stunden und soll natürlich wie alles andere auch, bezahlt werden. Um meine Mitarbeiter*innen lange im Unternehmen zu halten und dem Fachkräftemangel vorzubeugen, beteilige ich meine Mitarbeiter*innen mittlerweile am Umsatz der Bäckerei. 2 % des monatlichen Umsatzes werden verteilt auf die Arbeitsstunden, denn es ist mir wichtig, dass die Mitarbeiter*innen am Unternehmen partizipieren. 

 

Wir bedanken uns bei Marlon Gnauck für das interessante Gespräch. Schau unbedingt bei den Schwärmereien in Dresden, Berlin, Köln und Springe vorbei, denn dort bekommst du das leckere Gebäck und Brot direkt von der Bäckerei Gnauck. 

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Alle Fotos: ©Dirk Sukow 

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