Schluss, Ende, Aus!

Mit dem 24. Juni ist endgültig Schluss. Traditionell geht hierzulande die Spargelernte mit dem Johannistag zu Ende. Das war’s dann für dieses Jahr mit den weißen und grünen Stangen.

Das Spargeljahr 2016 war so lala, sagen die Bauern. Vor Pfingsten lief’s noch ganz gut, aber dann kam die Kälte. Über Wochen war das Wetter schlecht, zu viel Wasser, zu wenig Sonne. Trotz hoher Preise von 7,20 Euro pro Kilo war 2016 kein Rekordjahr. Spargel wird in Deutschland auf inzwischen 25.000 Hektar angebaut, das ist ein Viertel der Anbaufläche für Freilandgemüse.

Hach, Spargel! In vielen europäischen Ländern wird gerne Spargel gegessen, aber niemand ist so verrückt danach wie die Deutschen. Und ist Spargel nicht ein geradezu vorbildliches landwirtschaftliches Produkt, so, wie wir es mögen?

Zwar kommen rund 80 Prozent des in Deutschland verzehrten Spargels auch aus deutschen Landen, das gesunde Saisonprodukt legt also nicht allzu weite Transportwege zurück.

Doch leider liegt über dem Spargelanbau ein dunkler Schatten, über den selten geredet oder geschrieben wird: Die übergroße Nachfrage führt dazu, dass die Anbaumethoden immer intensiver werden, immer schneller, höher, weiter.

Ganze Landschaften versinken unter Folie

Das Hauptproblem ist das Einpacken der Spargelfelder in schwarze Plastikfolie, die flächendeckend ausgebracht wird, sodass am Ende ganze Landstriche darunter verschwinden.Wer es nicht schon mal vor Ort gesehen hat, mag das Ausmaß kaum glauben. Das Ganze erinnert ein bißchen an die berüchtigten Gemüsetreibhäuser, die halb Südspanien bedecken, nur dass dort das Folienmeer transparent ist.

Die Folie soll die Sonnenwärme anziehen und im Boden halten, damit die Stangen möglichst frühzeitig und möglichst schnell heranwachsen. Neuerdings experimentieren die Spargelbauern sogar mit Bodenheizungen im Acker, damit das begehrte Gemüse noch früher im Jahr in den Verkauf gelangen kann.

Ökologisch ist der hochgezüchtete Spargelanbau eine Katastrophe. Die Böden leiden stark unter der Folie, alles Leben stibt in der Erde ab. Folglich fehlen auch die Wildinsekten wie Käfer oder Mücken und viele andere Klein- und Kleinsttiere auf den Spargelfeldern. Vögel finden kaum Nahrungsquellen mehr vor, ganze Populationen sterben regional aus.

Bürgerinitiativen beginnen sich zu wehren

In den betroffenen Spargelregionen regt sich inzwischen Unmut nicht nur unter Umweltschützern, sondern auch bei der Bevölkerung. Landschaft ohne Folie heißt eine Bürgerinitiative im Beelitzer Spargelgebiet südwestlich von Berlin.

Wir sprechen mit Monika, eine Vertreterin der Initiative: „Unsere Dörfer sind umgeben von einem Meer an Folie, ab Oktober bis Juni des Folgejahres. Den Spargelpflanzen bleiben nur die Monate Juli bis Oktober, um sich von der Folienabdeckung zu erholen. In dieser Zeit liegt die Folie im Graben zwischen den Dämmen. Wenn wir auf die Versiegelung des Bodens aufmerksam machen, verweisen die Spargelanbauer sowie die zuständigen Behörden auf die oben benannte Zeit nach der Spargelernte. Und darauf, dass es keine wissenschaftlich belegbaren Erkenntnisse gegen diese moderne Anbaumethode gebe.“

Die Lobby der Spargelbauern ist stark, der Markt verlangt massenhaft und immer frühzeitiger nach Ware. Kritik an dieser Praxis wird aggressiv zurückgewiesen, so als sei Spargelessen ein Menschenrecht. Die Landesbehören verschließen die Augen und unterstützen den ökologischen Irrsinn sogar noch.

Ein weiterer „Vorteil“ der Folienabdeckung ist: die magischen Stangen bleiben weiß, auch wenn die Spitze bereits aus dem Erdwall herauslugt, denn durch die schwarze Folie dringt kein Sonnenlicht. Die Methode verschafft den Bauern etwas Luft bei der Ernte. Und es werden keine erfahrenen Helfer benötigt, die genau wissen, wo sich in der Erde der Spargel verbirgt und wie man stechen muss, ohne dabei die Stangen zu beschädigen. Ungeübte Saisonkräfte aus Polen, Bulgarien oder Rumänen reichen.

Die Deutschen essen den Spargel zwar liebend gerne, den anstrengenden Job der Ernte aber würden sie ohnehin für kein Geld übernehmen.

Dass Spargel makellos unverfärbt sein muss, dafür gibt es übrigens kaum einen Grund. Es ist schlicht eine deutsche Marotte. Anderswo bevorzugt man stets eine leichte Lila-Färbung der Köpfe durch das Sonnenlicht, weil dies die Ausbildung der typischen Geschmacksaromen fördert.

Wo es guten, folienfreien Spargel gibt

Nur noch 2 Prozent der Spargelflächen werden heute nicht in Folie gepackt. Was also tun, wenn man diese Anbaumethode nicht unterstützen mag? Einige wenige Handvoll Höfe bieten Spargel ohne Folie an, so der Spargelhof der Familie Rehm im Anbaugebiet um Schrobenhausen in Oberbayern. Oder der Bauer Paul Schulze im Havelland. Generell sind alle Demeter-Betriebe  folienfrei, das regeln die strengen Richtlinien des Verbands. Auch wässrige, turbo-wachsende Hybrid-Spargelsorten kommen hier nicht auf den Acker, sondern traditionelle Sorten: Helios oder Eros (!), aud die Regionen angepasste Varianten wie Huchsels Alpha in Brandenburg oder der Schwetzinger Meisterschuss in Süddeutschland.

Und schließlich haben einige Feinkosthändler und Gastronomen jedes Jahr folienfreien Spargel im Sortiment bzw. auf der Karte, denn Gourmets schwören auf die geschmackliche Güte des langsam gewachsenen, in traditionellen Anbauverfahren herangereiften Gemüses.

Was wir sonst noch tun können

Im Spargelanbau muss sich was ändern. Gefordert ist dringend ein maßvoller Spargelanbau in den Regionen, der ökologisch an die Gegebenheiten vor Ort angepasst ist. Es kann auch nicht sein, dass immer größere Spargelflächen ganze Landschaften in gespenstische Plastikwüsten verwandeln. Vielfalt statt Spargel-Monokulturen! Bis dahin muss jedoch noch viel Überzeugungsarbeit geleistet werden.

Wenn wir nicht auf künftige gesetzliche Regelungen warten wollen, können wir als bewusste Esserinnen und Esser dennoch etwas tun: Mal zu folienfreien konventionellen bzw. Demeter-Höfen in der Region rausfahren, am besten mit Bahn und Rad. Oder Spargel-Einkaufsgemeinschaften im Freundeskreis bilden. Überhaupt: Menschen für die Problematik des Spargels sensibilisieren.

Und auf den Wochenmärkten oder in den Geschäften öfter nachfragen, ob der Spargel unter Folie angebaut wurde. Folienware einfach mal zurückweisen. Etwas bewußter Verzicht beim Essen schadet ohnehin nicht – und die nächste Spargelernte kommt bestimmt. Nächstes Jahr. (ut)

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