Umdenken statt Verzicht – Im Gespräch mit Ernährungsexpertin Kerstin Eger

Marktschwärmer-Erzeugerin, Ernährungsberaterin und Buchautorin Kerstin Eger gründete vor einigen Jahren das Start-up fresh green vibes, in dem sie Vital-Coaching, Kochkurse und Workshops miteinander vereint. In unserem Gespräch versuchen wir, der Frage nach dem Einfluss unserer Ernährung auf unseren Körper und unser Wohlbefinden auf den Grund zu gehen.

Im ersten Teil des Interviews erfährst du, wie sich unser Essverhalten in den letzten Jahrzehnten verändert hat und worauf du bei der Wahl deiner Produkte besonders achten kannst, um möglichst gesund einzukaufen.

Wie bist du mit dem Thema “Ernährung” in Kontakt gekommen?

Mein beruflicher Werdegang beruht auf einer sehr persönlichen Geschichte: Als Zwillings-Frühchen erblickte ich das Licht der Welt „ausgestattet“ mit ein paar chronisch-entzündlichen Erkrankungen. Gar nicht schlecht, wie sich im Nachhinein herausstellen sollte, denn dies begründete mein passioniertes Interesse am Thema Ernährung sowie meine spätere berufliche Laufbahn. Meine anfängliche Motivation erwuchs somit aus den persönlichen Erfahrungswerten, gepaart mit einer guten Prise Kreativität sowie kindlichem Forscherdrang. Ich begleitete meine Mama sowie meine Oma bereits früh beim täglichen Kochen und Backen sowie bisweilen bei der Obst- und Gemüseernte im Garten und startete eigene Küchen-Experimente. Stets begeisterte mich dabei auch schon die Auswirkung einer ausgewogenen Ernährung auf unser Wunderwerk Körper.

Wie ist fresh green Vibes entstanden und was genau machst du?

Den Weg zur Ernährungsberaterin und Buchautorin sowie zum fresh green vibes – Vitalcoaching schlug ich über eine fundierte Ausbildung ein. Ich bin gelernte Köchin aus dem diätetischen Bereich und war als Küchenchefin unter anderem international in der Gourmetgastronomie tätig. Hinzu kommen verschiedene Weiterbildungen in den Fachbereichen Ernährungsphysiologie, Ernährungsmedizin, Gastro-BWL und orthomolekulare Therapie sowie die aktuelle Heilpraktikerausbildung. 

Fresh green vibes bündelt mein Herzensthema – die Passion für eine ausgewogene Ernährung sowie einen aktiven Lifestyle  und meine Fachkompetenzen perfekt miteinander. Mein Kernthema bei fresh green vibes ist das Heranführen an eine entzündungshemmende, natürliche und industriezuckerfreie Ernährung, die Freude bereitet und die auch in einen stressigen Alltag integrierbar ist. Wie ich feststellte, hapert es heutzutage weniger an der Wissensbeschaffung, sondern vielmehr am „Wie setze ich das erlangte Wissen nun um und komme ins Tun“? Beides versuche ich somit in praxis- bzw. alltagsnahen Coachings zu vereinen.

Was hat sich in den letzten Jahrzehnten in unserer Ernährung verändert?

Hierzu sind meiner Meinung nach recht gegensätzliche Trends zu beobachten. Denn während einerseits das Angebot an Convenience Foods, also Fertigprodukten, immer weiter zunimmt und der Trend immer weiter weg vom Familien-Essen am Tisch zum „Food to go“ geht, fangen Endverbraucher positiver weise auch immer mehr an, Fragen zu ihren Lebensmitteln zu stellen: Welche Zutaten sind in diesem Produkt eigentlich verarbeitet? Ist das gut für mich? Wo kommt mein Lebensmittel her? Wie sind die Produktionsbedingungen sowie die Auswirkungen daraus für Mensch und Tier? Dies führt letztendlich zu einem bewussteren Ernährungsverhalten und auch zurück zu mehr Ursprünglichkeit sowie Natürlichkeit. 

Regionale sowie saisonale Produkte erfahren einen neuen Boom: Zu Zeiten unserer Großeltern noch eine Selbstverständlichkeit. Dieser sehr positive Effekt hin zum bewussteren Verzehr ist meiner Meinung nach besonders auch nachhaltigen Konzepten wie Marktschwärmer zu verdanken.

 „Du bist was du isst”, was ist an diesem Zitat dran?

Es dürfte nicht überraschend sein: In diesem Sprichwort steckt viel Wahrheit. Führen wir uns einmal vor Augen, dass das, was wir verzehren, über die Resorption im Darm in gewissem Maße auch ein Teil von uns wird. Der Körper reichert schließlich nicht nur Vitalstoffe, sondern auch Schadstoffe an. Es erschließt sich somit, dass ein toxisches Pestizid, welches auf dem Acker Fraßfeinde abwehrt, vielleicht auch für uns nicht unbedingt die beste Idee sein könnte und dass ein Tier aus Massentierhaltung, welches verängstigt, krank bzw. mit einem Medikamentencocktail intus sowie mit minderwertigem Futter aufwuchs, nicht letztendlich als Nahrungsmittel auf unserem Teller landen sollte.

Du sprichst auf deiner Website von einer industriezuckerfreien Ernährung. Zucker findet man mittlerweile fast in jedem Produkt. Bedeutet das also, dass man auf viel verzichten muss?

Tatsächlich sind nicht wenige meiner Klienten überrascht, in wie vielen ihrer üblicherweise gekauften Produkte sich Industriezucker versteckt. Ja, auch in den herzhaften Erzeugnissen! Verzicht bedeutet diese Tatsache jedoch keinesfalls. Dies ist ganz wichtig für mich und meine Philosophie, denn Ernährung soll für mich nicht nur vitalisieren, sondern vor allen Dingen unbedingt auch eines: ganz viel Freude bereiten. Statt des Verzichts ist also vielmehr ein Umdenken gefragt. Welche Produkte bevorzuge ich aktuell und wodurch sind diese ersetzbar, ohne dass ich mich damit in den Verzicht gedrängt fühle? Dies erfordert anfänglich natürlich etwas Aufwand und Kreativität, aber: Dadurch wird die Thematik zu einer spannenden Entdeckungsreise, auf der man gegebenenfalls viele tolle neue Lebensmittel entdecken und „liebgewinnen“ kann. 

Was ist deiner Meinung nach problematisch an verarbeiteten Lebensmitteln und gibt es auch hier Unterschiede, was die Produktions- und Handelsketten angeht?

Problematisch an verarbeiteten Lebensmitteln ist meiner Meinung nach leider oftmals die ungünstige Zusammensetzung. Nicht selten finden wir in der Zutatenliste einen hohen Anteil an leeren Kohlenhydraten (Industriezucker und Weißmehl) sowie eine geringe Nährstoff- und Ballaststoffdichte. Es überrascht nicht, dass durch diese Zusammensetzung viele hochverarbeitete Produkte auch hochkalorisch sind. Zu erwähnen ist hier zudem ein oftmals hoher Anteil an Transfetten sowie bisweilen auch an Salz. Beim Nährwertcheck empfehle ich somit, neben erwähnten Punkten wie dem Zuckergehalt auch unbedingt einen Blick auf den Salzanteil zu werfen. 

Einen hohen Salzgehalt liefert auch Brot. Essen wir so beispielsweise morgens ein belegtes Brot, mittags eine Fertigpizza und abends wieder ein belegtes Brot, führen wir unserem Körper eine ungünstige Kombination von viel Salz und leeren Kohlenhydraten zu.  

Tipp zum Thema Salzen: Ausgleichen kannst du einen hohen Salzanteil in selbst gekochten Gerichten, beispielsweise über einen höheren Anteil an aromatischen Kräutern. 

Zu bedenken ist auch, dass bei verarbeiteten Lebensmitteln nicht immer alle Inhaltsstoffe deklariert werden müssen, wenn sie einen bestimmten Prozentwert nicht überschreiten. Hierdurch kommt es bisweilen zu einer fehlenden Transparenz. Auch ungünstige Zusatzstoffe sind für den Laien nicht immer unbedingt direkt zu erkennen.

Ein Beispiel: Carageen wird aus Rotalgen gewonnen und ist damit natürlich, pflanzlich und glutenfrei. Es ist als Geliermittel und Emulgator auch in biozertifizierten Produkten zugelassen. Klingt doch gut, sollte man meinen. Tatsächlich ist Carageen jedoch umstritten. Allergikern sowie Personen mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen wird vom Verzehr abgeraten. Auch eine verschlechterte Nährstoffaufnahme wird im Zusammenhang mit dem Zusatzstoff diskutiert.

Heißt das, alle verarbeiteten Lebensmittel sind automatisch schlecht für uns ?

Natürlich kann man auch in diesem Punkt nicht grundsätzlich verallgemeinern: Nicht alle verarbeiteten Lebensmittel sind automatisch hochproblematisch. Beispiel: Ein regional geerntetes, zusatzstofffrei tiefgekühltes Gemüse, welches ja ebenfalls ein verarbeitetes Produkt darstellt, ist sehr gesund. Besonders auch in kleinen StartUps, welche verarbeitete Lebensmittel auf den Markt bringen, ist ein Umdenken zu beobachten. Hier sind immer mehr bewusst hergestellte Produkte zu entdecken, die vermehrt auf natürliche Inhaltsstoffe und Regionalität setzen.

 

Hat dir der erste Teil unseres Gespräches mit Kerstin gefallen?  Im zweiten Teil erfährst du, wie sich unsere Ernährung auf unser psychisches und körperliches Wohlbefinden auswirkt und wir haben nachgefragt, was für sie in einer gesunden Ernährung nicht fehlen darf. Bis dahin wünschen wir dir viel Freude beim Kochen mit regionalen Lebensmitteln und bedanken uns bei Kerstin für die interessanten Informationen.

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Marktschwärmer

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