Die Initiative „Über den Tellerrand kochen“ bringt Geflüchtete und Beheimatete an Kochtöpfen und Tischen beim gemeinsamen Kochen und Essen einander näher. Die Journalistin Tasnim Rödder war bei einem Essen in Berlin dabei.
„Wir sind Fadi und Ahmad, wir kommen aus Damaskus, die Hauptstadt Syriens. Heute Abend zeigen wir euch, wie man in unserer Heimat kocht“, erklärt Fadi in gebrochenem Deutsch. Man merkt ihm seine Nervosität an. Zum ersten Mal leitet er an diesem Abend zusammen mit seinem Freund Ahmad einen Kochkurs im Rahmen des Projektes Über den Tellerrand kochen.
Schon seit über einem Jahr bietet Über den Tellerrand professionelle Kochkurse an – von nigerianisch über syrisch bis afghanisch. Seit Ende 2015 finden diese Kurse in einem schicken Ladenlokal im Berliner Stadtteil Schöneberg statt. Der helle Raum im typischen Altbau ist stilvoll eingerichtet. Um den mächtigen Holztisch sammeln sich 17 neugierige Teilnehmende. Alle Augen richten sich auf die Köche des Abends: Fadi und Ahmad.
Die Idee der Über den Tellerrand-Initiatoren traf den Nerv der Zeit. Während die Medien zuhauf von „Flüchtlingswellen“ und „Flüchtlingskrise“ berichteten, wollten Carolin Strehmel, Bontu Guschke, Gerrit Kürschner und Ninon Demuth – alle Studierende an der Freien Universität Berlin – Einheimische und geflüchtete Menschen ganz praktisch einander näher bringen.
Doch wie? Mit der Kulinarik, beschlossen die vier Studierenden. Essen – das ist etwas, das jeden betrifft und für jeden eine Notwendigkeit darstellt. Es verbindet Menschen und bringt sie an einen Tisch. Warum nicht auch Beheimatete und Geflüchtete?
Daraufhin konzipierten sie im Rahmen eines Uni-Projektes ein Kochbuch, das Rezepte und persönliche Geschichten von Geflüchteten sammelte. Sie starteten einen deutschlandweiten Aufruf: Beheimatete und Geflüchtete sollten sich zusammen tun und gemeinsam kochen. Die Resonanz war überwältigend: 29 Teams aus 14 Ländern schickten Berichte, Fotos und Rezepte von ihren Kochbegegnungen ein, woraufhin das Team die erste Auflage ihres Kochbuches zusammenstellte.
Kaum war das Kochbuch auf dem Markt, wurden die vier Studierenden von gesellschaftlicher Begeisterung geradezu überrollt – die Postfächer quollen über, es gab jede Menge Anfragen und Lob. Die drei Studierenden entschieden sich, das Projekt langfristig weiterzuführen. Heute beschäftigt Über den Tellerrand acht Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie einige ehrenamtlicher Helferinnen und Helfer, die unter anderem Kochkurse begleiten, Sprachcafés organisieren oder zu Workshops einladen.
Zurück ins Schöneberger Ladenlokal. Hier gehen inzwischen die Essensvorbereitungen weiter: Einer schneidet Tomaten, eine andere Gurke oder Zwiebel. Man kommt ins Gespräch, es herrscht eine gemeinschaftliche Stimmung.
Zwischendurch bittet Fadi um Aufmerksamkeit: Geübt zerpflückt er die gebackenen Auberginen, vermengt sie mit diversen Gewürzen und etwas Quark: Fertig ist das Baba Ganoush. Alle verfolgen neugierig Fadis geschickten Handgriffen. In seiner Heimat hatte er schon mehrere Jahre als Koch gearbeitet – das merkt man. Mit Leichtigkeit wetzt er die Messer und hackt Zwiebeln in Millimeter kleine Stücke. Ahmad demonstriert derweil, wie man Knoblauch ganz einfach von der Schale befreien kann, indem man sie in einem geschlossenen Glas schüttelt wie eine Rassel.
Die Kochabende geben den Geflüchteten die Möglichkeit, sich selbst, ihr Land und seine traditionelle Küche vorzustellen. Denn es gibt, entgegen mancher Vorstellungen, mehr als nur Wunden und schmerzhafte Geschichten, die aus ihrer Heimat mitbringen.
Fadi und Ahmad möchten auch ein positiveres Bild ihrer Herkunft vermitteln: Kultur, Land und Sprache – alles auf einem Teller. Und es funktioniert: Alle sind begeistert von Baba Ganoush (Auberginencreme) mit Fatouche (Salat) und Mtepl (Dip). Als Hauptgericht gibt es Mloukhieh – Spinat mit Hühnchen und Reis. Man spürt förmlich, wie alle durch das gemeinsame Kochen, Essen und Reden an diesem Abend einander nähergerückt sind.
Nach dem Essen zeigen die beiden Freunde ein Video über ihre Heimatstadt Damaskus. Mit wackliger Stimme schildert Fadi daraufhin von seinem Weg aus Syrien über den Libanon bis nach Deutschland. „Das einzige was ich will, ist Arbeit, Papiere und ein Haus“, wünscht er sich zu Abschluss.
Die Teilnehmenden schweigen betreten – dann klatschen sie: Für seinen Mut, sein Durchhaltevermögen, seinen Willen. Ad hoc kann keiner helfen, das zähe Warten auf die Arbeitsgenehmigung geht auf das Konto der deutschen Bürokratie. Aber das einvernehmliche Lob, die gut gefüllten Bäuche, die Bewunderung seiner Kochkünste und die Gespräche auf Augenhöhe – das sind Dinge, die ihm das Warten etwas erleichtern können.
Text und Fotos: Tasnim Rödder / @Tasnim_Ro
„Über den Tellerrand kochen“ im Internet und auf Facebook. Sehenswert auch dieser Bericht im Bayerischen Fernsehen.
.
Kommentare