“Gib deinem Bauern die Hand wird bei Marktschwärmer konsequent gelebt” – Im Interview mit unser regionalen Botschafterin Katja Mossel

Seit 2003 führen Fritz und Katja Mossel mit Leidenschaft und Herzblut einen modernen,  seit 200 Jahren bestehenden landwirtschaftlichen Familienbetrieb, aus dem die AMORELLA KIRSCH-Manufaktur entstand. Vor vier Jahren eröffnete die ausgebildete Diplom Kauffrau Katja Mossel dazu noch eine Schwärmerei auf ihrem Hof. Im Interview haben wir sie gefragt, wie sich ihr regionaler Bauernmarkt in den letzten Jahren entwickelt hat und welchen Herausforderungen sie und ihre Erzeuger*innen im Moment gegenüberstehen.

Wie bist du zu Marktschwärmer gekommen und was hat dich motiviert, eine eigene Schwärmerei aufzubauen?

Ich bin im Vorstand der Vereinigung der Direktvermarkter Rheinland-Pfalz tätig und meine Schwerpunktaufgabe besteht darin, für kleinere Betriebe alternative Vermarktungsmöglichkeiten zu finden. Im Jahr 2017 wurde das Projekt Marktschwärmer bei uns vorgestellt und ich war sofort fasziniert von dem Konzept. Regionale Erzeuger*innen an einem Ort zusammenzubringen ist für Konsument*innen genial, weil sie bei vielen verschiedenen Erzeuger*innen einkaufen können, ohne große Fahrtwege zurücklegen zu müssen. Mich hat das Konzept so sehr begeistert, dass ich es direkt auf unserem Hof umsetzen wollte. Ich selbst bin Direktvermarkterin und liebe den persönlichen Kontakt zu meinen Kund*innen. Das Motto „Gib deinem Bauern die Hand“ wird bei Marktschwärmer konsequent gelebt – besser geht es nicht.

Wie wurde das Konzept am Anfang angenommen und wie hat sich deine Schwärmerei seitdem entwickelt?

Unsere Schwärmerei in Mainz gibt es nun schon seit vier Jahren. Gestartet sind wir nur mit Erzeugern, die selbst ihre Produkte erzeugen und veredeln, z.B. Brot aus eigenem Getreide, Milch aus eigener Tierhaltung. Über diesen Zeitraum hat sich eine großartige Gemeinschaft aus Kund*innen und Erzeuger*innen entwickelt, die sich bei jeder Verteilung persönlich treffen. Am Anfang war ich die Einzige mit einer Schwärmerei in der Region und es war schwierig, sich bekannt zu machen. Die Presse war zu Beginn nicht so offen wie ich es mir gewünscht hätte und es gab immer wieder Hindernisse, die wir überwinden mussten. Mittlerweile haben wir uns etabliert. 

Bis eine Schwärmerei richtig gut funktioniert braucht es eine gute Portion an Durchhaltevermögen. Zu Beginn darf man nicht gleich riesen Sprünge erwarten, diesen Tipp gebe ich auch immer neuen Gastgeber*innen mit auf den Weg. Die Entwicklung einer Schwärmerei braucht Zeit, vor allem dann, wenn man in seiner Region noch ganz allein ist. Je mehr Schwärmereien in einer Region entstehen desto bekannter wird das Konzept und desto schneller ist das Konzept erfolgreich. Neben Rüsselsheim-Bauschheim sind in diesem Jahr  Schwärmereien  dazugekommen (Frankfurt – Gutleutviertel, Frankfurt – Cassellapark , Heidesheim, Ober-Ingelheim) und auch in Nierstein wird ab September eine neue Schwärmerei eröffnen.

Du bist nicht nur Gastgeberin sondern auch Erzeugerin von Kirschspezialitäten. Kannst du uns sagen was die Vorteile sind, Beides zu sein?

Für mich ist es ein klarer Vorteil, dass ich mich in die Situation der Erzeuger*innen und auch in die der Gastgeber*innen hineinversetzen kann. Ich weiß welche Probleme die Erzeuger*innen zu bewältigen haben z.B. die Eingabe ihrer Produkte in den Produktkatalog, kenne aber auch die Herausforderungen der Gastgeber*innen. Weil ich Beides bin, nehme ich eine Vermittlerinnenrolle ein und kann in Konfliktsituationen eine lösungsorientierte Kommunikation zwischen beiden Parteien vorantreiben. Gleichzeitig konnte ich unseren eigenen Betrieb in der Region bekannter machen und wir konnten die Beziehung mit Kund*innen stärken und auch neue Kund*innen mit unserer Schwärmerei gewinnen.

Was sind aktuell die größten Herausforderungen für deine Erzeuger*innen und wie können Verbraucher*innen und das Marktschwärmer-Konzept dazu beitragen, diese Herausforderungen zu lösen?

Als größte Herausforderung für die Erzeuger*innen sehe ich im Moment immer noch die Corona-Pandemie, denn nicht alle Erzeuger*innen haben davon profitiert. Die Umsätze in den meisten Hofläden sind zwar gestiegen, weil viele Menschen durch die Pandemie vermehrt auf eine Versorgung mit regionalen Lebensmitteln gesetzt haben. Trotzdem sind bei Betrieben, deren Schwerpunkt auf der Belieferung der Gastronomie lag oder so wie wir, viel auf Messen oder Weihnachtsmärkten verkauft haben, Umsatzeinbußen entstanden, die bis jetzt noch nicht kompensiert werden konnten. Der alternative Vermarktungsweg über die Marktschwärmer war für diese Betriebe in vieler Hinsicht ein Lichtblick. 

In diesem April hatten wir die zweitmeisten Frostnächte seit Beginn der  Wetteraufzeichnungen von 1881. Viele Blüten sind erfroren und alles ist nur sehr langsam gewachsen. Dies hat zu großen Ertragsverlusten geführt. Hier in der Region gab es in den letzten Jahren immer mal wieder starken Hagel. Einige Erzeuger*innen haben aus diesem Grund schon im dritten Jahr keine Aprikosen ernten können. 

Mit den ersten Lockerungen und Öffnungen bemerke ich, dass einige Kund*innen nicht mehr regelmäßig zum Einkaufen in die Schwärmerei kommen. Das diesjährige Sommerloch war massiv. Das ist sehr schade, denn die Unterstützung von regionalen Produzent*innen ist auch in den Sommerferien unglaublich wichtig. Erzeuger*innen und Gastgeber*innen haben im letzten Jahr so viel geleistet und möglich gemacht. Mich würde es sehr freuen, wenn sich die Kund*innen  an das Engagement erinnern, den Schwärmereien treu bleiben und weiterhin bei uns einkaufen.

Welche extra Aufgaben übernimmst du als regionale Botschafterin und wie hat sich dein regionales Netzwerk entwickelt, seitdem du regionale Botschafterin bist? 

Für mich ist es wichtig die Gastgeber*innen und Erzeuger*innen vor Ort zu unterstützen und zu fördern. Hier bringe ich mein fachliches Wissen aus Landwirtschaft und Direktvermarktung ein. Vor allem auf Seiten der Erzeuger*innen sehe ich noch viel Entwicklungspotenzial. Für die Gastgeber*innen sind bereits Möglichkeiten zum Austausch und zur Wissenserweiterung vorhanden z.B. der Gastgeber*innengarten und Workshops.  Zusammen mit Cynthia aus Berlin und den anderen beiden Botschafterinnen ist es uns ein Anliegen, spezielle Weiterbildungen für die Erzeuger*innen zu organisieren. Vor ein paar Wochen gab es den ersten Erzeuger*innen-Workshop im Bereich Fleisch. Unser Ziel ist es weitere Schulungen anzubieten damit Erzeuger*innen ihre Produkte besser vermarkten können. Das hilft ihnen nicht nur bei den Marktschwärmern, sondern sichert langfristig den Erfolg ihres Betriebes. 

Als Botschafterin liegt mir eine offene Netzwerkkultur am Herzen, die den Austausch unterstützt. Ich versuche Fragen zu beantworten oder entsprechend an Expert*innen weiterzugeben. Auch neuen Schwärmereien, die sich im Aufbau befinden stehe ich immer zur Verfügung und teile meine Erfahrungen. Ich kenne mich in der Region gut aus, habe Kontakte zu Verbänden und weiß, wie man Verbindungen zu anderen landwirtschaftlichen Betrieben knüpft.

Im letzten Jahr haben alle Schwärmereien einen starken Zuspruch erfahren – du und deine Erzeuger*innen standen aber gleichzeitig durch Lockdown-Maßnahmen vor großen Herausforderungen: Kannst du uns trotzdem eine schöne Geschichte oder Anekdote aus dieser Zeit teilen, an die du dich selbst gern erinnerst?

Ich kann mich noch an eine Kundin erinnern, die im letzten Lockdown gesagt hat, dass sie nirgendwo anders mehr einkaufen müsste, wenn wir jetzt noch Klopapier hätten. Ich musste natürlich schmunzeln aber mich hat dieser Satz auch richtig stolz gemacht, weil es bedeutet, dass sie bis auf Klopapier alles bei uns bekommt und auch alles bei uns kauft. 

Es gibt auch eine schöne Geschichte von der kleinen Tochter einer Marktschwärmer Kundin. Die Tochter möchte nur noch die Marktschwärmer Milch trinken und lehnt alles andere aus dem Supermarkt ab. Generell sind die Kinder begeistert, wenn sie mit zur Verteilung in die Schwärmerei kommen dürfen. Für viele ist der Abholtag zu einem richtigen Ritual geworden. Unser Hof ist zu einem kommunikativen Treffpunkt geworden und wir sind eine wunderschöne Gemeinschaft.

Wir bedanken uns bei Katja Mossel für das  interessante Gespräch und die Einblicke in ihre Arbeit als regionale Botschafterin und Gastgeberin. Hier geht es zum Marktschwärmer Video von der Vereinigung Direktvermarkter Rheinland-Pfalz. 

Mehr über Marktschwärmer erfährst Du auf unserer Webseite und unserer Facebook-Seite.

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Marktschwärmer

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