Pilze aus der Kaffeetasse – im Interview mit Waldquallengründerin Inke Kühl

Gemeinsam mit Freunden gründete Inke vor 1,5 Jahren eine eigene Pilzzucht: “Waldquallen” heißt das innovative Start-up aus Flensburg, das sich mit seiner Gründung den Prinzipien einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft verschrieben hat. Statt auf traditionelle Anbaumethoden zu setzen, nutzt das Unternehmen alten Kaffeesatz als Nährboden für seine Pilze. Im Gespräch mit Inke erfahren wir mehr über die Idee hinter Waldquallen, die Besonderheiten der Pilzzucht auf Kaffeesatz und ihre zukünftigen Pläne.

Wie seid ihr auf die Idee gekommen, Pilze auf Kaffeesatz zu züchten? Warum der Name Waldquallen? 

Die ursprüngliche Idee stammt tatsächlich von einem etwas anderen Team als dem Gründungsteam und ist Rahmen eines Uni-Seminars mit dem Thema Transformationsdesign entstanden. Also konkret, wie können wir Dinge in der Wirtschaft anders machen als sie aktuell laufen. Mit dem Fokus auf Kreislaufwirtschaft und dem Interesse an Nahrungsmittelproduktion entstand die Idee der Pilzzucht. Waldquallen habe ich dann vor ungefähr 1,5 Jahren gemeinsam mit drei Freundinnen gegründet. Wir fanden es schade, dass Kaffee meist nur einmal kurz aufgebrüht wird und dann nur noch im Müll landet. Wir nutzten diesen nährstoffreichen Kaffeesatz als Substrat für unsere Pilzzucht. Dadurch bekommt er nochmal eine zweite Verwendung, bevor er dann in Beeten zur Kompostierung landet. Mit unserem Namen wollten wir eine Verbindung zwischen Pilzen, die ja intuitiv im Wald wachsen, und unserem am Meer gelegenen Heimatort Flensburg herstellen.

Welche Pilzarten züchtet ihr und wie genau funktioniert die Zucht?

Wir züchten bei uns Austernseitlinge, Rosenseitlinge und Kastanienseitlinge. Bis wir unsere Pilze ernten können, dauert es etwa vier Wochen. Dabei vermischen wir zunächst das Substrat mit den Pilzsporen und warten, bis sich das Myzel der Pilzen ausreichend ausgebreitet hat. Das dauert ca. 2 Wochen und die Pilze mögen es hierbei besonders warm und dunkel. Anschließend ziehen sie in ein Zelt um, in dem es kälter ist und eine höhere Luftfeuchtigkeit herrscht, sodass sich die Fruchtkörper dann innerhalb der nächsten zwei Wochen ausbilden können.

Besteht euer “Boden” nur aus Kaffeesatz oder mischt ihr noch etwas anderes hinzu?

Neben dem Kaffeesatz mischen wir auch noch ein wenig Stroh hinzu. Normalerweise wachsen diese Pilzarten auf Holz, weil sie eine bestimmte cellulose Struktur benötigen, um gut wachsen zu können. Ein Boden aus reinem Kaffeesatz in den großen 20 Liter Eimern wäre hierfür zu dicht und würde den Pilz ersticken. Damit das Substrat etwas “lockerer” ist, kommt das Stroh hinzu. Im kleinen Rahmen ist es aber durchaus möglich, nur Kaffeesatz als Substrat zu benutzen. So bieten wir beispielsweise auch kleine Pilzzuchten für Zuhause an. Für den Pilzpott kann man einfach etwas Kaffee- oder Teesatz verwendet. Wichtig ist nur, dass man auch hier eine Bodenstruktur aufbaut, indem man alle 2-3 Tage eine neue Schicht Kaffee hinzugibt. So kann das Pilzmyzel langsam durch den Boden hindurch wachsen.

Mit welchen Herausforderungen habt ihr beim Pilzanbau zu kämpfen? 

Besonders am Anfang war es schwierig, stabile Produktions- und Wachstumsbedingungen zu schaffen, denn da wo sich der Speisepilz wohlfühlt, fühlt sich leider auch der Schimmelpilz wohl. Das haben wir aber mittlerweile gut in den Griff bekommen. Dazu haben auch viele Fortbildungen und Wissen, was wir uns mit der Zeit angeeignet haben, beigetragen. Zudem ist nebenberuflich Gründen generell eine Herausforderung und so gibt es auch immer wieder Optimierungsbedarf im Arbeitsalltag.  

Wie schmecken eure Pilze und hast du ein liebstes Pilzrezept?

Es handelt sich bei unseren Pilzen um Seitlingsarten, diese haben einen großen flachen Schirm und ein festes Fruchtfleisch. Damit eignen sie sich besonders gut als Fleischersatz und haben einen sehr herzhaften Geschmack. Ich persönlich liebe unsere Pilze auf Nudeln. Dafür schneide ich den Pilz in sehr kleine Streifen und brate ihn scharf an. Dadurch erhalten sie einen sehr herzhaften und würzigen Geschmack.

Ihr habt euch einer nachhaltigen Produktion verschrieben und betreibt eine sogenannte Kreislaufwirtschaft. Was genau bedeutet das und wie sieht diese konkret bei eurer Pilzzucht aus? 

Generell bedeutet Kreislaufwirtschaft, dass man versucht, Abfälle immer weiterzuverwenden. In unserem Fall ist das einmal das Substrat, also der Kaffeesatz, der in der jetzigen Wirtschaftsform meist nur einmal zu Kaffee aufgebrüht wird und anschließend im Müll landet. Wir versuchen, den nährstoffreichen Kaffeesatz für uns zu nutzen und weiterzuverwenden, indem wir ihn als Substrat für die Pilzzucht nutzen. Anschließend geben wir den Kaffeesatz an Kleingärtner*innen aus Flensburg und der Umgebung weiter, die ihn dann als Füllmaterial für ihre Hochbeete oder als Düngematerial verwenden. Unseren Kaffeesatz holen wir emissionsfrei mit Fahrrad und Anhänger aus Cafés und Restaurants in Flensburg ab. 

Zudem versuchen wir möglichst viel recyceltes Material einzusetzen: So kommen bei uns wiederverwendbare Eimer zum Einsatz. Diese stammen aus einem Restaurant aus der Region, das darin vorher Quark oder Tzatziki gelagert hat. Wir reinigen die Eimer dann und bereiten sie für die Pilzzucht auf. Ansonsten ist es üblich, in der Pilzzucht Folienbeutel zu verwenden, da diese einfach leichter handhabbar sind, aber dann auch nach einmaliger Benutzung im Müll landen.

Wie schätzt du das Potenzial der Pilze für unsere Ernährung der Zukunft ein? 

Dadurch, dass Pilze unter bestimmten Bedingungen das ganze Jahr über drinnen angebaut werden können, hat man die Möglichkeit, ganzjährig ein gesundes und regionales Produkt zu konsumieren. Mit ihrem herzhaften Geschmack und dem faserigen Fruchtfleisch eignen sich Seitlingsarten zudem sehr gut als Fleischersatz. Deshalb glaube ich, dass in Pilzen viel Potenzial für unsere zukünftige Ernährung steckt. 

Welche Vermarktungswege nutzt ihr für eure Pilze und was sind Pläne für die Zukunft?

Im Moment beliefern wir Einzelhändler*innen in Unverpackt- und Bioläden. Neben unserem Webshop für die Pilzzucht zuhause, beziehen auch einige Cafés und Restaurants unsere Pilze. Im letzten Jahr haben wir unsere Produkte auch über Marktschwärmer vertrieben und hoffen, dass sich da in Zukunft wieder mehr ergibt. Zudem planen wir, unser Angebot auf verarbeitete Produkte zu erweitern und so beispielsweise getrocknete Pilze anbieten zu können. Das macht den Verkauf deutlich flexibler, da die frischen Pilze nur eine kurze Haltbarkeit haben. 

Was sind Deine Forderungen an die Politik und Wünsche an Verbraucher*innen? 

Wir haben uns besonders mit dem Thema der nachhaltigen Förderung beschäftigt, denn es gibt immer mehr Fördermittel für Social Entrepreneurship und nachhaltige Unternehmen. Leider wird dabei sehr oft auf eine schnelle und große Skalierbarkeit geschaut, was wir einfach mit einem bewusst auf Regionalität angelegten Produkt nicht unbedingt leisten können. Darüber hinaus spielt auch der stetige Wachstumszwang eine Rolle: Wir wollten unser Unternehmen nur so groß machen, dass wir es selbst tragen können und vielleicht eine kleine Aufwandsentschädigung davon erhalten. Unser Fokus liegt hier also gar nicht so sehr auf Gewinnoptimierung. Das stößt jedoch sehr oft auf Unverständnis und auch eine passende Rechtsform gibt es dafür nicht wirklich. Und da finde ich, könnte die Politik nochmal stärker darauf eingehen, wenn das mit der großen Transformation und dem sozialökologischen Wandel wirklich ernst gemeint ist. Von Verbraucher*innen wünsche ich mir besonders, dass sie im Rahmen ihrer Möglichkeiten mehr Wertschätzung für Nahrungsmittel und regionale Produkte aufbringen.

 

Wir bedanken uns bei Inke für das interessante Gespräch und den Einblick in ihre Pilzzucht.

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Marktschwärmer

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