“Raus aus der IT und rein in die Landwirtschaft”- Im Gespräch mit Rinderzüchter Matthias Schneider

Nach 25 Jahren in der Softwareindustrie entscheidet sich IT Spezialist Matthias Schneider, 2017 die Regionalmarke “Elbweiderind” zu gründen. In seinem Betrieb sind ihm eine artgerechte Tierhaltung und die direkte Vermarktung besonders wichtig. Wie ein nachhaltiger Fleischkonsum in seinen Augen aussieht und worauf man beim Kauf von Fleisch achten sollte, erfährst du in diesem Interview.

Wie bist du dazu gekommen Rinder zu halten?

Im Alter von 50 Jahren habe ich mich bewusst dafür entschieden, nach 25 Jahren in der Softwareindustrie die Regionalmarke „Elbweiderind“ zu gründen. Nach meinem Abitur habe ich zunächst eine Landwirtschaftslehre als Rinderzüchter absolviert und anschließend noch 3 Studien in Agrarwissenschaften, Technische Informatik und BWL abgeschlossen. Im März 1990 gründete ich gemeinsam mit zwei Mitstudenten mein erstes Unternehmen. 2000 dann die Integrierung des Softwareunternehmens in einen internationalen IT-Konzern, indem ich dann eine entsprechende Managerkarriere hinlegte.

Dann die bewusste Entscheidung: Raus aus der IT und ein Neustart in der Landwirtschaft. Es gab die Chance auf Flächen an der Elbe und ich wollte eine andere Art von Landwirtschaft machen – Tierwohl und eine direkte Vermarktung an die Menschen in Leipzig und der Region um Torgau. Durch meine erste Berufsausbildung kamen für mich nur Rinder in Frage. Für eine echte Kreislaufwirtschaft und gesunde Böden gehören für mich Tiere in der Landwirtschaft unbedingt dazu.

Welche Rinderarten haltet ihr? 

Wir halten Rinder der Rasse Hereford. Zum einen wollten wir eine Rasse, die ein guter Mittelweg ist zwischen den intensiveren (Charolais, Limosin ) und den extensiven Rassen (Galloway, Dexter). Weiterhin muss eine Rasse zur Landschaft und den gegebenen Flächen passen. Wir haben größtenteils nicht so gute Böden und in trockenen Sommern müssen die Tiere auch mal mit einer „mageren“ Ration und Futterauswahl zurechtkommen. Hereford-Rinder waren hier in der Region erprobt, sind außerdem sehr selbstständig und unkompliziert bei der Abkalbung (Geburt).

Schon gewusst?

Während die Rinder bei der extensiven Haltung meist das ganze Jahr über auf weiträumigen Weiden stehen und kaum Zusatzfutter benötigen, beinhaltet die intensive Tierhaltung eine höhere Anzahl an Tieren auf kleineren Flächen.


Wie sichert ihr eine artgerechte Tierhaltung? 

Wir betreiben ganzjährige Freilandhaltung. Unsere Rinder verbringen also ihr ganzes Leben an der frischen Luft. Von April/Mai bis zum Dezember auf den Sommerweiden und dann in einem Winterquartier mit befestigten Flächen – aber open air. Die Tiere werden nie angebunden und überwiegend mit eigenem Weidegras, Heu bzw. Luzernegras gefüttert. Vor 2 Jahren haben wir begonnen, auf BIO umzustellen. Am 1.12.2022 ist die Umstellungszeit dann abgeschlossen.

 

Welche Faktoren beeinflussen die Qualität eures Fleisches? 

Das Fleisch der Hereford-Rinder ist von Haus aus besonders kurzfaserig, zart und aromatisch, aber auch ein Resultat der artgerechten, nachhaltigen Weidehaltung mit natürlicher Fütterung und unserer gelebten Philosophie des wertschätzenden, respektvollen Umgangs mit unseren Rindern. Zwischen 14 und 21 Tagen lassen wir unser Fleisch außerdem reifen. Durch lange Reifephasen wird das Fleisch noch aromatischer und saftiger. Dieser Prozess ist für uns selbstverständlich und keine Werbestrategie! 

Wie verläuft so ein Leben eines Rindes?

Ende Mai kommt der Bulle in die Herde zu den Kühen. Nach ca. 9 Monaten werden die Kälber im Frühjahr innerhalb der Herde geboren und wachsen dann über den Sommer und Herbst unter optimalen Witterungsbedingungen auf der Weide auf, wo sie viel Auslauf haben und mit ihren gleichaltrigen Artgenossen toben können. Mindestens zwei Sommer verbringen unsere Tiere auf der Weide, werden also mindestens 20 Monate alt. 

 

Wie sieht deiner Meinung nach ein nachhaltiger Fleischkonsum aus? 

Weniger Fleisch und Wurst essen, dafür aber von regionalen (Bio)-Landwirten, die ihren Kunden auch den Besuch auf ihren Höfen gestatten und somit zeigen, wie artgerechte Tierhaltung aussieht.

 

Welche Faktoren müssen in Preise für Fleisch mit einberechnet werden, die für Konsument*innen nicht sichtbar sind?

Viele Kosten werden vom Konsument schlicht und einfach übersehen. So unter anderem der Aufwand für eine nachhaltige Weidehaltung, die täglichen Zaunbau und ähnlichen Einsatz bedarf, die aufwendige Manufakturherstellung von Wurst und anderen Produkten, sowie das langsamere Wachstum der Tiere aufgrund ihrer freien Weidehaltung – all dies bedeutet nicht nur zusätzlichen Aufwand, sondern auch eine längere Zeitspanne, die mit finanziellen Mitteln verbunden ist. Es ist wichtig, diesen Einsatz zu erkennen und fair zu honorieren, da er letztendlich zu hochwertigen und nachhaltigen Produkten führt.

 

Welche Art von Unterstützung oder Anreizen seitens der Politik würde deiner Meinung nach dazu beitragen, fairere Preise für landwirtschaftliche Produkte wie Fleisch zu erzielen?

Ich denke, die Politik sollte in Ihrer Kommunikation, Lebensmittel wie Fleisch – nicht pauschal als klimaschädlich darstellen.Zum Beispiel ist eine Weidehaltung von mindestens 180 Tagen und eine Winterfütterung mit im Betrieb gewonnenem Heu nicht mit einer Rindermast vergleichbar, bei der Futtermittel wie Soja aus Südamerika verwendet werden. Zudem erfolgt durch die Weidehaltung nicht nur die Landschaftspflege, sondern auch der Humusanteil im Boden steigt. Die wiederholten Aufwüchse tragen zur Bindung von CO₂ bei und unterstützen somit aktiv den ökologischen Ausgleich.

 

Worauf sollte man beim Kauf von Fleisch achten? 

Auf jeden Fall sollte man auf die Herkunft achten und möglichst beim Handwerksfleischer oder besser noch einem Direktvermarkter kaufen. Da weiß man dann genau, was auf den Teller kommt und von wo. Gutes und frisches Rindfleisch verliert beim Braten auch kaum an Gewicht, hat eine mittel- bis dunkelrote Farbe und hat im Rohzustand einen neutralen Geruch.

Welcher Teil vom Rind wird am meisten gekauft? 

Häufig bestellt werden natürlich die Edelstücke wie Filet, Roastbeef oder Entrecote, die sich sowohl kurz braten, aber auch schmoren lassen. Aber auch Rouladen, Gulasch, Tafelspitz und Bratenstücke aus Schulter, Hüfte und Nacken sind von unseren Kunden gefragt. 

Welche Teile vom Rind verwertet ihr?

Zu unserer Philosophie gehört es, dass wir unsere Tiere ganzheitlich verwerten – also von der Nase bis zum Schwanz (from-nose-to tail). Immer beliebter werden aber auch die sogenannten Second Cuts: Diese speziellen „Schnitte aus der zweiten Reihe“ stammen aus Teilen des Tieres, die sonst eher komplett geschmort werden. Diese „Second Cuts“ sind somit eine nachhaltige und nicht weniger leckerer Alternative zu den bekannten Edelstücken für Grill und Pfanne. 

Bis in die 70er Jahre gab es diese Kurzbratstücke in den Metzgereien. Dass man die Nebenschnitte dann nicht mehr in den Fleischtheken finden konnte, lag an der fehlenden notwendigen Reifung. Weil wir unser Fleisch mindestens für 14 bzw. 21 Tage am Knochen reifen lassen, wird das Bindegewebe im Muskel aufgeschlossen (locker) und das Fleisch dadurch weicher und aromatisch. Die langsame und handwerkliche Reifung der Muskeln bietet somit wieder die Möglichkeit, dass die „Second Cuts“ als Steak zubereitet werden können. Kein Wunder: Bei richtiger Zubereitung punkten diese Stücke mit vollem Aroma und Biss. 

Was sind Deine Forderungen an die Politik und was sind Deine Wünsche an die Verbraucher*innen? 

Die Landwirtschaft in Deutschland ist zum einen Opfer, aber auch Mitverursacher der Klimaveränderungen und Umweltbelastungen. Die Produkte der heutigen Landwirtschaft in Sachsen entstehen überwiegend aus dem Streben nach hocheffizienter Massenproduktion bei Pflanzen und Tieren. Wenige industrielle Verarbeiter und die 4 großen Lebensmittelhandelskonzerne dominieren die Preise und betreiben einen aggressiven Preiskampf. Die landwirtschaftlichen Betriebe erhalten den geringsten Teil aus der Lebensmittelwertschöpfung und werden vor allem durch EU-Agrarsubventionen – nach Fläche – alimentiert. 

Der Landwirt hat sich in den letzten Jahren immer weiter vom Verbraucher entfernt. Man fühlt sich von der Gesellschaft nicht wertgeschätzt und ruft nach der Politik. Die langfristige Lösung für die sächsische Landwirtschaft kann nach unserem Verständnis nur in einer größeren Wertschöpfung und nachhaltiger, tierwohlgerechter landwirtschaftlicher Produktion liegen. Diese Lösungsrichtung stimmt auch grundsätzlich mit der politischen Richtung in Dresden und Berlin überein. Allerdings fehlt es oft an praktischer und wirtschaftlicher Umsetzung. Von den Verbrauchern wünsche ich mir, dass sie weiterhin und gern noch stärker durch den Kauf unserer Elbweiderind-Produkte und denen anderer Landwirte aus ihrer Heimat die regionalen Unternehmen unterstützen und somit eine nachhaltige Landwirtschaft fördern.

 

Wir bedanken uns bei Matthias Schneider für das interessante Gespräch und den Einblick in seinen Betrieb.

Mehr über Marktschwärmer erfährst Du auf unserer Webseite und unserer Facebook-Seite.

Über den Autor

Marktschwärmer

Auf unserem Blog erfährst Du nicht nur Neues aus dem Marktschwärmer-Netzwerk, wir schauen auch über den Tellerrand: Unsere Redaktion und ausgewählte Gastautoren schreiben hier über die schönen und die dunklen Seiten des Essens. Themenvorschläge und Autoren-Bewerbungen per Email sind immer willkommen.

Kommentare

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind markiert *