Vom Acker auf den Tisch – Wie nachhaltige Gastronomie dazu beiträgt ein neues Ernährungssystem zu schaffen

Ist es möglich in der Gastronomie, eine Küche zu schaffen, die für viele zugänglich ist und direkt mit regionalen Produkten versorgt wird?  Ein Beispiel aus Paris zeigt, dass es geht. Arnaud Dalibot hat eine nachhaltige Kantine gegründet, die teils mit Produkten von seinem eigenen Hof, der nur eine Stunde entfernt liegt, beliefert wird. Ähnliche Konzepte setzen sich zunehmend in ganz Europa durch.

2014 legte Arnaud Dalibot mit der Eröffnung seines ersten Restaurants Mûre in Paris den Grundstein für sein nachhaltiges Projekt. „Die Idee war, einen Ort für hausgemachte, überwiegend pflanzliche Küche zu schaffen, die möglichst aus lokalen Zutaten besteht. Anfangs kauften wir bei regionalen Gemüsebauern ein und ergänzten das Angebot mit Waren vom Großmarkt in Rungis,“ erzählt Dalibot. “Die Herausforderung war es, eine Küche von hoher Qualität anzubieten – zu Preisen, wie man sie eher aus dem Fast Food Restaurant kennt: ein komplettes Menü für 10 €.“

Monatelang arbeitete Arnaud Dalibot intensiv daran, das Projekt zum Erfolg zu führen. „Ich wollte zeigen, dass gesundes, lokales Essen für viele Menschen erschwinglich sein kann und nicht nur für eine Elite oder die Gäste von Gourmet-Restaurants.“

Die Mûre-Kantine ist jedoch nur der erste Schritt eines noch größeren Projekts. Schon von Anfang an wollte der Gastronom seine Kantine mit integrierter Marktgärtnerei versorgen. „Natürlich hatte ich von den Gemüsegärten des französischen Küchenchefs Alain Passard oder des amerikanischen Dan Barber gehört, aber ich wollte dieses Konzept in einer größeren Gastronomie umsetzen.“

Arnaud Dalibot trifft einen Landwirt aus der Nähe von Paris. Dieser hatte den Hof seines Vaters mit dem Ziel übernommen, kurze Lieferketten aufzubauen und biologische Produkte zu fördern. „Sie hatten einen 150 Hektar großen Betrieb, und er konnte mir drei Hektar zur Verfügung stellen, um unsere Marktgärtnerei zu starten – eine schöne Wiese in Presles-en-Brie (Seine-et-Marne).“ Marie Kimmerlin, zuständig für die Landwirtschaft, schließt sich schnell dem Team an. Arnaud verbringt dort einen Tag pro Woche.

Die ersten Gemüsesorten wachsen schnell, doch es braucht Zeit und Geduld, bis der Hof seine volle Ertragskraft entfaltet. „Der Betrieb hat mittlerweile drei festangestellte Mitarbeiter und zwei Saisonarbeiter auf einer Fläche von etwas über einem Hektar. Wir orientieren uns an der Methode des Marktgärtners Jean-Martin Fortier,“ so Arnaud Dalibot. Diese Methode setzt auf die intensive und biologische Bewirtschaftung kleiner Flächen.

Es waren fünf Jahre des Testens und Lernens. Der Hof selbst war lange Zeit sehr defizitär. Wir brauchten Zeit, um unser Land zu verstehen und unsere Investitionen wieder hereinzuholen. Ganz zu schweigen davon, dass zum Beispiel der Obstgarten, der vor einigen Jahren angelegt wurde, erst jetzt anfängt, ertragreich zu sein. Wir hatten gehofft, dieses Jahr einen Ausgleich zu erreichen, aber das Wetter hat die Sache sehr erschwert.

Ein ausgewogenes Geschäftsmodell zu erreichen, wäre der größte Erfolg für den Gründer. „Wenn wir das schaffen, können wir zeigen, dass das Modell nachhaltig und replizierbar ist und dass es möglich ist, Mahlzeiten zwischen 10 und 15 € anzubieten, indem wir einen Großteil der Produktionskette selbst übernehmen.“

In Frankreich und anderswo haben auch andere Betriebe diesen Ansatz aufgegriffen. Chloé Jakubowicz und Alice Chabanon, die Besitzerinnen des Restaurants Champ Libre in Paris, begannen vor einigen Monaten, Gemüse eine Stunde außerhalb der Hauptstadt anzubauen, um ihre Kantine mit frischen Zutaten zu versorgen und gleichzeitig die Preise niedrig zu halten. So bleibt ihr Menü mit Vorspeise, Hauptgericht und Dessert unter 20 €.

In der Auberge Aux Bons Vivres, die von der Fotografin Anne-Claire Héraud gegründet wurde, stammen Gemüse, Obst, Kräuter, Blumen, Eier, Sauerteigbrot, handgemachte Pasta, Mehl und Linsen von der Farm Trois Parcelles. Diese wird von ihrem Partner betrieben und liegt im selben Dorf – die Produkte bereichern die Gerichte der Auberge.

Das gleiche Konzept wird in Waterloo, Belgien, mit Popote umgesetzt, einem kleinen Restaurant, das von einem großen Permakultur-Gemüsegarten versorgt wird. Eine ähnliche Vision verfolgen auch die Betreiber des Water Lane in East Sussex, Großbritannien, einem Lokal, das von den Inhabern des Londoner Lebensmittelgeschäfts Melrose and Morgan gegründet wurde.

Arnaud Dalibot ruhte sich jedoch nicht auf seinen Erfolgen aus und eröffnete im Januar 2024 einen Lebensmittelladen im Herzen von Paris, in dem Eier, Obst und Gemüse vom eigenen Hof zusammen mit Produkten anderer nachhaltiger Bauern und Handwerker verkauft werden. In ähnlicher Weise haben die Besitzer des Batavia-Ladens in Bienne, Schweiz, einen urbanen Gemüsegarten auf dem Gelände eines ehemaligen Stadions angelegt.

Immer mehr Gastronomen, Händler und Marktgärtner in ganz Europa entwickeln umfassende, nachhaltige und inklusive Ökosysteme und tragen so zu einem neuen Modell der Ernährungssouveränität bei.

Autorin: Jill Cousin

 

Adressen:

FRANKREICH

  • Mûre
    6 rue Saint Marc, 75002 Paris (restaurant) 
  • 54 rue du Faubourg du Temple, 75011 (grocery store) 
  • Cantine Champ Libre
    9 rue Taylor, 75010 Paris 
  • Aux Bons Vivres
    13 place du Bourg, 45300 Yèvre-la-Ville

BELGIEN 

  • La Popote
    113 rue de la Station, 1410 Waterloo

SCHWEIZ 

  • Batavia Epicerie Moderne
    Kirchgässli 1, 2502 Biel 

VEREINIGTES KÖNIGREICH

  • Water Lane
    Hawkhurst, Walled Garden TN18 5DH 

 

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