In einem fast märchenhaften Garten in der Nähe der Hermannstraße in Berlin Neukölln unterhalten sich Menschen fröhlich mit landwirtschaftlichen Erzeugern, die an diesem Tag nach Berlin gekommen sind. Die Sonne scheint, es gibt großartige frische Produkte zu verköstigen, die am Tag zuvor noch auf die Ernte gewartet haben, und nichts scheint außergewöhnlich an diesem geselligen Beisammenkommen.
Aber warum kommen Bauern und Produzenten aus dem Umland an einem Wochentag in die Stadt ohne dass ein Markt stattfindet? Und warum kommen so viele Menschen in den kleinen, unscheinbaren Garten? Die Antwort liegt zunächst nicht sofort auf der Hand.
Am Anfang diesen Jahres kam die Food Assembly von Frankreich nach Deutschland. Die Food Assembly organisiert Pop-up Bauernmärkte, bei denen Menschen zusammenkommen, die die regionale Landwirtschaft unterstützen, die faire Bezahlung der Erzeuger fördern und denen frische, regionale Lebensmittel wichtig sind. Die sogenannten Assemblies finden regelmäßig und überall in der Stadt verteilt statt. Immer mehr Assemblies schießen seitdem aus dem Boden. Am 10. Juli 2014 eröffnete die Agora-Assembly in Berlin, Neukölln.
Giulia, 29, Italienerin mit einer Leidenschaft für Yoga, ist die Gastgeberin und Organisatorin dieses Zusammenkommens im wunderbaren Standort “Agora”, einem Co-Working Space in Neukölln.
Giulia ist seit 2 Jahren in Berlin und hat sich schon immer für soziale Projekte und Initiativen interessiert. Vor knapp einem halben Jahr fragte sie ein Freund, ob sie nicht eine Assembly im Agora eröffnen wolle. Sie sagte sofort Ja. Giulia hatte allerdings zu diesem Zeitpunkt noch keine Ahnung, was eine Assembly ist.
Egal, worum es eigentlich gehen sollte, Giulia wollte etwas an der Art und Weise bewegen, wie die Deutschen Lebensmittel konsumieren. “Ich bin enttäuscht, dass es hier so ein schlechtes Essenangebot gibt und dass die Qualität der Lebensmittel so schlecht ist. Jeder kauft isoliert von allen anderen ein und schätzt das Essen und die Lebensmittel nicht und interessiert sich nicht, woher die Produkte stammen. Das ist in Italien ganz anders.” sagt sie über ihre Beweggründe. Außerdem war sie einfach neugierig, was es eigentlich mit dem Projekt aus sich hatte.
Im Juni besuchten alle zukünftigen Gastgeber der ersten deutschen Assemblies das Team in Frankreich und erfuhren zum ersten Mal, was eine Assembly ausmacht und wie das ganze in der Praxis aussieht. Ab da war Giulia Feuer und Flamme für die Assemblies und konnte es kaum erwarten, ihre eigene zu eröffnen. Bis dahin musste allerdings noch viel getan werden.
Eine Assembly braucht teilnehmende Erzeuger und die klopfen nicht einfach so an die Tür. Also begab sich das komplette deutsche Team auf die Suche nach regionalen Gemüse- und Obstbauern, Viehzüchtern, Bäckern, Molkereibetreibern und noch vielen weiteren Erzeugern.
Diese Suche war spannend, teilweise aber auch recht erschwerlich. Nicht nur Reden, sondern auch körperlicher Einsatz war zuweilen gefordert. So verbrachte Giulia sogar selbst einige Stunden auf dem Acker um Setzlinge einzugraben als das Team die Wilde Gärtnerei besuchte, einem kleinen solidarischen Landwirtschaftsbetrieb bei Bernau im Nord-Osten Berlins, bevor sie überhaupt über das Konzept der Food Assembly mit Roberto, dem Inhaber und Anführer der kleinen Gemeinschaft, sprechen konnte. Unter anderem durch diese Beziehung, die Giulia so aufbauen konnte, beliefert die Wilde Gärtnerei nun ihre Assembly und Giulia weiß selbst genau, wie die Produkte von der Saat bis zur Assembly kommen.
Nach einiger Überzeugungsarbeit war es dann Anfang Juli endlich soweit: Giulia hatte 6 verschiedene Erzeuger zusammengebracht und konnte endlich richtig beginnen.
Dann endlich kamen am Nachmittag des 10. Julis die Erzeuger zusammen und stellten ihre großartigen Produkte aus. Der Ort füllte sich mehr und mehr mit Menschen. “Da gab es diese 1 Sekunde, während ich die ganze Zeit nur in Bewegung war, in der ich realisiert habe, dass wir es geschafft haben, und dass das alles ich bin, in allem steckt etwas von mir. Diese Erfahrung ist unbezahlbar.”
Mit diesem Tag hat Giulia sich einen großen Wunsch erfüllt: sie wollte den Menschen zeigen, was es heißt, Teil einer Assembly zu sein anstelle ihnen nüchtern das Konzept zu erläutern. Die Menschen sollten fühlen, wie toll eine derartige Gemeinschaft ist, in der man zudem etwas Gutes tut.
Das hat sie geschafft.
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