Der unheimliche Durst unseres Essens

Wenn wir Obst und Gemüse importieren, importieren wir immer auch die Menge an Wasser, die es zum Wachsen gebraucht hat. In vielen Anbauregionen ist Wasser ein äußerst knappes Gut. Wie können wir also im Supermarkt immer noch mit gutem Gewissen zu Avocados aus Mexiko, Bohnen aus Kenia oder Kartoffeln aus Ägypten greifen?

Wann hast Du zuletzt Mandeln gekauft? Ihr Wasserdurst ist sicher nicht das Erste, an das wir beim Anblick von Mandeln denken – dabei sind sie eines der wasserintensivsten Produkte in unseren Supermarktregalen: Eine Mandel braucht fünf Liter Wasser bis zur Erntereife.

Mandelmilch wird immer beliebter. Nicht ohne Grund, denn die Inhaltsstoffe der Mandel sind durchaus gesund. Aber ihre Herstellung ist mit heftigen Umweltkosten verbunden. Mehr als 80 Prozent der weltweiten Mandelernte kommt aus Kalifornien.

Der Mandelanbau ist so wasserintensiv, dass die Mandelbauern mittlerweile mehrere hundert Meter tiefe Brunnen bohren, um noch nicht aufgebrauchte Wasserreservoirs anzuzapfen. Das erhöht nachweislich die Erdbebengefahr und gefährdet die Standsicherheit von Brücken, Straßen- und Kanalbauwerken in der Umgebung.

Was uns das angeht? Nun, kalifornische Brücken mögen uns vielleicht zunächst egal sein – aber Wasser ist darüber hinaus auch ein essentieller Bestandteil unseres Ökosystems.

“Die Wassermengen, die wir für die Produktion von Nahrungsmitteln verwenden, sind gigantisch,” sagt Daniel Crossley, Geschäftsführer des britischen Rates für Lebensmittelethik. “Aber es wird oft unterschätzt, wie eng der Zusammenhang zwischen dem Wasserverbrauch und unserer zukünftigen Versorgungssicherheit ist.”

Experten sagen voraus, dass sich Wasserengpässe in naher Zukunft nur noch verschärfen werden – durch häufigere und größere Flut- und Dürrekatastrophen, die Ausdehnung einer “westlichen” Ernährungsweise und dem generellen Wachstum der Weltbevölkerung.

Wo alle Wasservorräte in die Landwirtschaft fließen, werden Dürren zu Katastrophen.

Wo alle Wasservorräte in die Landwirtschaft fließen, wird Wasserknappheit zur Dürre.

Aber eins nach dem anderen. Das Wasser, über das wir hier sprechen, wird oft als “virtuelles Wasser” bezeichnet. Bei Pflanzen ist das Wasser gemeint, das zu ihrem Wachstum an den Boden abgegeben wird. Sei es Regenwasser oder künstlich zugeführtes Wasser. In der Fleischproduktion ist es das Wasser, das für die Futterpflanzen der Tiere und zur Aufzucht der Tiere selbst gebraucht wird.

Wir können dieses “virtuelle Wasser” nicht sehen oder schmecken, wenn wir einkaufen und kochen – aber ohne es gäbe es die Produkte nicht, die wir essen. Problematisch wird das, wenn wir Lebensmittel aus Teilen der Welt importieren, die am stärksten vom Klimawandel betroffen sind.

Ein paar Beispiele gefällig? In deutschen Frischeabteilungen findest Du oft grüne Bohnen aus Kenia, Avocados aus Mexiko oder Kartoffeln aus Ägypten – alles Regionen mit dramatischem Wassermangel.

Aber das ist noch nicht alles: Auch Tee und Kaffee sind wasserintensive Pflanzen aus Gegenden, in denen Wasserknappheit herrscht. Unsere meistgekauften Teesorten kommen überwiegend aus Asien und den östlichen Subsahara-Gebieten, wo der Klimawandel schon jetzt am härtesten zuschlägt. Und Brasilien, wo etwa ein Drittel der weltweiten Kaffeeernte wächst, war jüngst von den schlimmsten Dürren des letzten Jahrzehnts auf dem südamerikanischen Kontinent betroffen.

In vielen dieser Anbaugebiete wird Wasser künstlich auf die Felder und Plantagen geleitet, weil es oft klimabedingt keinen regelmäßigen Niederschlag gibt. Das heißt, dass die Erzeuger Wasser aus seinem natürlichen Kreislauf entnehmen und es so anderen entziehen, die es nötiger brauchen – etwa als Trinkwasser.

Was können wir gegen diesen Wassermissbrauch tun?

Die eine, schnelle Lösung gibt es natürlich nicht. Aber wir Verbraucher*innen können mit dem Wissen um das Problem umsichtiger einkaufen: Wer Obst und Gemüse einkauft, kann und sollte fragen, wo und wie es produziert wurde – und ob es nicht vielleicht eine umweltverträglichere Alternative gibt.

In Kartoffeln aus regionalem Anbau sind etwa 300-400mm “virtuelles” Wasser gespeichert – in Kartoffeln aus Ägypten sind es wegen des heißeren Klimas eher 1000mm.

Fleisch aus industrieller Aufzucht hat in der Regel mehr Wasser verbraucht als Fleisch aus Freilandhaltung. Es braucht 33 Badewannen für ein Kilo Schweinefleisch, 24 Badewannen für ein Kilo Hühnerfleisch und ganze 90 für ein Kilo Rind. Diese absurden Werte lassen sich um das Vierzigfache reduzieren, wenn man stattdessen zu Fleisch von extensiv gezüchtetem Weidevieh greift.

Auch das Wegwerfen von Essen verschwendet natürlich “virtuelles Wasser”. 11 Millionen Tonnen Lebensmittel verschwenden die Deutschen auf diese Weise – und das Wasser, das für die Herstellung der Produkte aufgewendet wurde, gleich mit.Ohne Frage ist das Dilemma wasserintensiver Lebensmittel nicht von uns als Verbraucher*innen allein zu lösen. Produzent*innen und die Politik stehen hier genauso in der Verantwortung. Aber wir könnten uns ja beim nächsten Griff in die Gemüsetheke trotzdem mal fragen: Wie viel Wasser steckt eigentlich in diesem Produkt und kann ich das auch regional kaufen?

Von Joanne O’Connell, freiberufliche Journalistin für die britischen Zeitungen The Guardian und The Observer. 

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