Farmerwashing: Ist das wirklich regional?

Der lächelnde Landwirt auf seinem Feld. Wir sehen ihn im Fernsehen, auf Werbeplakaten oder direkt auf Lebensmitteln. In seinen erdigen Händen hält er eine Harke, frisches Gemüse oder ein süßes Lämmchen. Er steht symbolisch für das Versprechen von frischen Lebensmitteln aus bäuerlicher Landwirtschaft, fair produziert, direkt aus der Region. Leider bleibt der glückliche Landwirt oft eine Werbebotschaft ohne wirkliche Verbindung zu dem Produkt, für das er stehen soll.

Neben Greenwashing, durch das sich Unternehmen “reinwaschen”, die in ihrem operativen Alltag wenig Wert auf ökologische Nachhaltigkeit legen, gibt es einen Trend zum Farmerwashing. Bei diesem Phänomen wird das Bild eines Bauern – selten einer Bäuerin! – verwendet, um für ein Angebot zu werben, das oft industriell hergestellt wurde und faktisch keinen oder nur geringen lokalen Charakter besitzt. Selbst erzeugt hat der abgebildete Landwirt das Produkt in den seltensten Fällen.

Lokale Wertschöpfung als Selling Point

Der Lebensmitteleinzelhandel macht sich mit dem Farmerwashing oder auch Localwashing eine eigentlich erfreuliche Entwicklung zu Nutze und vereinnahmt diese: Verbrauchern wird Authentizität und eine nachvollziehbare Lieferkette immer wichtiger. Sie wollen wissen, woher ihr Essen kommt, das bei ihnen auf dem Teller landet und wie es produziert wurde. Durch das wachsende Interesse an regionalen und fair produzierten Lebensmitteln gewinnt das Bild des glücklichen Erzeugers immer mehr an Popularität – in der Werbung. 

Durch Plakate mit glücklichen Landwirten und gut geschriebenen Werbebotschaften verknüpfen Supermarktketten eine Reihe positiver Attribute mit den von ihnen verkauften Produkten: eine hohe Qualität, Frische, Regionalität, fairer Handel und bäuerliche Landwirtschaft. Problematisch wird das, wenn das Interesse der Verbraucher an Nachvollziehbarkeit und Transparenz dabei in den Hintergrund rücken und diese Begriffe ein uneingelöstes Werbeversprechen bleiben.

Supermärkte halten ihr Versprechen nicht

Dass der Einzelhandel Farmerwashing betreibt, trägt dazu bei, dass viele Menschen immer noch in den Supermarkt gehen, in dem Glauben, dass ihr Wunsch nach Transparenz und Regionalität dort vermeintlich erfüllt wird. Schließlich sind viele Kunden durch die sie anlächelnden Bauern überzeugt davon, frische bäuerlich produzierte Produkte zu einem fairen Preis zu kaufen. Dass dieses Versprechen auf den Großteil der angebotenen Produkte nicht zutrifft, wird nicht erwähnt. Insbesondere Discounter sind bekannt für ihre Billigpreisstrategie – das passt kaum mit dem Versprechen nach fair gehandelten, regionalen und hochwertigen Produkten zusammen.

Die Realität ist, dass das Angebot an regionalen Produkten, bei denen die Erzeuger fair bezahlt werden, in den deutschen Supermärkten immer noch erschreckend gering ist – die Zahl der importierten und überregionalen Lebensmittel überwiegt immens. Anders als bei fair gehandelten oder Bio-Produkten, existieren für herkömmlich verkaufte Produkte keine einheitlichen Vorgaben und Definitionen für Regionalität und eine angemessene Bezahlung der Erzeuger. Dieser fehlende Standard führt letztendlich dazu, dass diese Begriffe in der Werbung oft vereinnahmt und ihrer eigentlichen Relevanz beraubt werden – das Bild des glücklichen Landwirts steht dafür symbolisch.

Zwei Bauern mit ihren Tieren

Konsumenten wird bewusste Ernährung wichtiger

Dabei wäre es höchste Zeit für ein gesellschaftliches Umdenken in der Ernährungs- und Landwirtschaft. In nur wenigen Jahrzehnten haben wir mehr und mehr unsere natürliche Verbindung zu unserem Essen verloren. Wir wissen es nicht wertzuschätzen, denn wir wissen nicht wie es produziert wird und wir wissen nicht woher es kommt. Durch diese Entfremdung leidet nicht nur unsere Ernährung, sondern am Ende auch die Leute, die unser Essen machen –  die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe in Deutschland ist in den letzten 20 Jahren um 42 Prozent gesunken.1 

Glücklicherweise ist den Konsumenten in den letzten Jahren eine bewusste Ernährung wieder wichtiger geworden. Dadurch sind vermehrt Initiativen entstanden, denen Farmerwashing nicht reicht, sondern die das Versprechen von regionalen und frischen Lebensmittel sowie einer transparenten Lieferkette halten wollen und können. Wiedererstarkte Bauernmärkte, das Prinzip der solidarischen Landwirtschaft, Bildungsinitiativen wie die Gemüseackerdemie und andere Bewegungen tragen dazu bei, dass die Wertschätzung für Lebensmittel in unserer Gesellschaft wieder steigt. Auch die Marktschwärmer motivieren die Menschen dazu, wieder zu hinterfragen, woher ihr Essen kommt. Durch den direkten Kontakt mit den Erzeugern in den Schwärmereien können Kunden nachvollziehen, von welchem Landwirt ihre gekauften Lebensmittel sind. Eine faire Bezahlung der Erzeuger ist uns außerdem sehr wichtig – die Landwirte legen bei Marktschwärmer ihre Preise selbst fest.

Die Ernährungswende funktioniert nur, wenn sich alle daran beteiligen. Informiere dich auf unserer Website, wie du in unseren Schwärmereien einkaufen oder selbst eine gründen kannst.


1. Deutscher Bauernverband (2020). Situationsbericht 2019/2020. Betriebsgrößen. & Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (2019). Daten und Fakten Land-, Forst- und Ernährungswirtschaft mit Fischerei und Wein- und Gartenbau, S.7.

Mehr über Marktschwärmer erfährst Du auf unserer Webseite und unserer Facebook-Seite.

Über den Autor

Jacques Wecke

Jacques Wecke dachte lange Zeit, Topinambur sei ein Pokémon. Vor einigen Jahren hat er sich allerdings Hals über Kopf in die faszinierende Welt der Ernährung und Landwirtschaft gestürzt, die ihn seitdem nicht mehr loslässt. Heute ist Jacques der Projektleiter von Marktschwärmer Deutschland; er ist unser Gesicht nach außen und schafft neue Verbindungen zu gleichgesinnten Initiativen.

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