”Ernährung sollte Spaß machen und eine Entdeckungsreise sein“- Im Interview mit Ernährungsberaterin Kerstin Eger – Teil 2

Ist es möglich, sich ausschließlich regional und saisonal zu ernähren? Diese und noch viele weitere Fragen haben wir Marktschwärmer- Erzeugerin und Ernährungsberaterin Kerstin Eger gestellt.

Im ersten Teil unseres Interviews haben wir bereits erfahren, worauf wir beim Kauf unserer Produkte achten können, um möglichst gesund und ausgewogen einzukaufen. In diesem Teil erfährst du, wie sich unsere Ernährung auf unser psychisches und körperliches Wohlbefinden auswirkt und erhältst wertvolle Tipps, die dir dabei helfen dich gesund und wohlzufühlen.

 Sind Lebensmittel aus der Region automatisch gesünder?

Dies lässt sich nicht verallgemeinern. Auch „um die Ecke“ gibt es schließlich Massentierhaltung, ausgelaugte Böden sowie gegebenenfalls schädliche Zusatzstoffe. Fakt ist jedoch, dass regional gewachsenes Obst und Gemüse reif geerntet werden kann. Zudem hat es keinen endlos langen Lieferweg hinter sich, bis es bei dir,dem Endverbraucher, landet. Dadurch erreicht dich das Lebensmittel deiner Wahl frisch und mit optimaler Nährstoffdichte, sowie gegebenenfalls mit geringerer Konservierung. Auch die Klimabilanz fällt durch die ausbleibende lange Reise optimaler aus –in zusätzlicher Pluspunkt für unser aller Gesundheit.

Was hältst du von einer ausschließlich saisonalen Ernährung, ist das deiner Meinung nach ohne Mangel (z.B. im Winter) möglich?

Werfen wir einmal einen Blick in den Saisonkalender, so stellen wir fest, dass uns auch im Winter zahlreiche bunt-vitalisierende Köstlichkeiten zur Verfügung stehen: Angefangen von verschiedenen Kohlgemüsen (u.a. reich an Vitamin C sowie dem entzündungshemmenden Senfölglykosid Sulforaphan) über Pilze wie Champignons und eine bunte Auswahl an Kürbissen hin zu Wurzel- und Knollengemüse wie Karotten, Kartoffeln, Rote Bete, Sellerie, Pastinaken und-und-und. Mit ein bisschen Kreativität lassen sich hiermit viele köstliche und facettenreiche Gerichte kreieren. Zubereitungsarten wie beispielsweise die Fermentation erhöhen die Haltbarkeit auf natürliche, ursprüngliche Weise und verbessern sogar noch die Verfügbarkeit der Nährstoffe. Gar nicht so schlecht also unsere winterliche Versorgung!

Auch hierzu gilt wiederum mein Grundsatz: Ernährung sollte Spaß machen und eine Art „spielerische Entdeckungsreise“ sein. Besonders , wenn man im Kreise der Familie kocht, sollten die tägliche Nahrungszubereitung sowie der Einkauf dazu meiner Meinung nach zwar bewusst, aber niemals zu streng und verbissen oder gar mit erhobenem Zeigefinger erfolgen. Also eher in Richtung: So saisonal wie möglich – aber wenn auch im Winter beispielsweise mal ein frisch-grüner, knackiger Salat auf dem Teller landet, so ist dies sicherlich in Ordnung. Hier sollte für mein Empfinden jeder schauen, was sich für ihn persönlich ganzheitlich betrachtet am besten anfühlt.

Wie wirkt sich unsere Ernährung auf unser psychisches und körperliches Wohlbefinden aus?

Kurz und knapp: Immens. Bedenken wir einmal, dass unser Körper ein hochfunktionales Wunderwerk ist, dessen Zahnrädchen täglich 24 Stunden emsig ineinander rattern, um uns gesund zu (er)halten. So erschließt sich, wie wichtig unser achtsamer Umgang mit ihm ist. Denn auch, wenn viele körperliche Vorgänge vollkommen automatisch ablaufen, ist innerhalb der Ernährung unser aktives Handeln hin zu einem bewussten, ausgewogenen Essverhalten gefragt. Die erwähnten Zahnrädchen brauchen unsere Pflege in Form einer vitalstoffreichen Lebensmittelzufuhr (+ natürlich ausreichend Bewegung und Schlaf). Gerät durch eine dauerhafte Mangelernährung nur ein Zahnrädchen aus dem Takt, so gerät zwar sicherlich nicht direkt das ganze System ins Stocken, du kannst dir aber vorstellen, welche Auswirkungen dies langfristig nach sich ziehen wird. 

Auch unser psychisches Wohlbefinden profitiert von einer ausgewogenen, vitalisierenden Ernährung. Wir werfen hierzu gerne mal einen genaueren Blick in das Thema Darm-Hirn-Achse. Kurz erläutert: Unser Gehirn kommuniziert über verschiedene Übertragungswege mit dem Darm. Hierzu zählen unser Mikrobiom, Botenstoffe/Hormone sowie sensorische Neuronen. Diese Kommunikation ist keine Einbahnstraße: Sie funktioniert sowohl vom Gehirn zum Darm hin als auch umgekehrt. Es erschließt sich also einmal mehr, wie wichtig die Darmgesundheit und damit die bewusste, vitalstoffreiche Ernährung auch für unsere Psyche sind. 

Nicht zuletzt sind über die Nahrung zugeführte Vitalstoffe wie B-Vitamine, Magnesium, Omega-3, Vitamin-D und Zink auch als „Energieboost“ für unsere Psyche zu nennen. Ein Augenmerk hierauf in deinem täglichen Speiseplan macht also in vielerlei Hinsicht glücklich. 

Gibt es deiner Meinung nach die “perfekte” Ernährung? und falls ja, wie sieht diese aus?

Die „eine und einzige“ perfekte Ernährung für jedermann gibt es meiner Meinung nach in der Tat nicht. Ich verfolge vielmehr den Ansatz, jeden Menschen in den Anforderungen an seine persönliche Wohlfühlernährung individuell zu betrachten. 

Wichtige Fragen können hierbei beispielsweise sein:

  • Welches Ziel soll mit der persönlichen Ernährung verfolgt werden bzw. welche Bedürfnisse sollen gedeckt werden (Beispiel: Bürokraft oder Profisportler)?
  • Wie schaut der übliche Tagesablauf aus?
  • Welche besonderen persönlichen Herausforderungen bringt die Person mit (beispielsweise (chronische) Erkrankungen / Allergien / Unverträglichkeiten)?

Sehr wohl gibt es für mein Empfinden jedoch einige wichtige Punkte, um den täglichen Teller vitalisierend zu füllen. Aber nun mal die Basics, die ganz wesentlich zu deinem Wohlbefinden beitragen:

  • Vermeide leere Kohlenhydrate wie Saccharose/Haushaltszucker und Weißmehle. Diese bieten nur eine sehr geringe Nährstoffdichte und sorgen unter anderem für ein Blutzuckerkarussell und Entzündungen.
  • Sammle Farben: Kombiniere also täglich knackig-frisches Obst und Gemüse sowie Kräuter und Sprossen auf deinem Teller. 
  • Bevorzuge natürliche Lebensmittel. Lange Zutatenlisten, die teilweise gar nach Chemiebaukasten klingen? Lieber nicht!
  • Gönne deinem Magen-Darm-Trakt ausreichend „Verschnaufpausen“ zwischen den Mahlzeiten (idealerweise mind. vier Std.).
  • Dein Wunderwerk Körper freut sich nicht nur über eine bunt-vitalisierende Wohlfühlkost. Auch ausreichend erholsamer Schlaf, Bewegung, ein positives Mindset sowie ein liebevolles soziales Umfeld geben ihm (und damit dir) Kraft und Energie.

Was muss sich im Versorgung-und Ernährungssystem ändern, damit wir uns wieder gesünder ernähren? Was sind hier deine Forderungen an Politik und Verbraucher*innen?

Von der Politik wünsche ich mir die Umsetzung entsprechender Maßnahmen, die ein höheres Budget für die Sicherstellung einer ausgewogenen, vitalisierenden Ernährung in Einrichtungen wie Kindergärten, Krankenhäusern, Pflegeheimen und Schulen ermöglicht. Leider sind hier aufgrund von in den letzten Jahren oder gar Jahrzehnten relevant gewordenen Sparmaßnahmen häufig gravierende Mängel zu beobachten. Darüber hinaus ein Starkmachen für die grundsätzliche Einführung eines Schulfachs wie „Ernährung(sphysiologie) & Nahrungszubereitung“, um das Bewusstsein für eine vitalisierende Ernährung bereits vom Kindesalter an zu stärken. Sowie eine bessere Sicherung der Existenzgrundlage für erzeugende Betriebe wie beispielsweise die regionale Landwirtschaft.

An die Marktschwärmer*innen: Bleibt weiterhin so bewusst und achtsam in Hinblick auf eure Ernährung und hört nicht auf, Fragen zu stellen! Für die Gesundheit und die Vitalität von uns allen und unserer Nachkommen sowie für einen l(i)ebenswerten Planeten!

 

Wir hoffen du konntest den ein oder anderen Tipp für dich nutzen und bedanken uns bei Kerstin für das interessante Gespräch.

 

 

 

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Marktschwärmer

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