Ein Leben ohne Insekten ist ein Leben ohne Vielfalt

Erinnerst du dich noch vor 15 Jahren, als die Familie in aller Früh ins Auto gesprungen und nach Italien gebrettert ist und man schon zur Mittagspause auf dem Rastplatz vor lauter kleinen Insekten kaum noch durch die Windschutzscheibe schauen konnte? Und heute? Klar, man fährt weniger Auto, aber auch die Tiere sind zurückgegangen. Wie kommt es, dass unsere Windschutzscheiben seit einiger Zeit blitzblank sind, wenn wir aus dem Urlaub zurückkommen?

 

Schätzungen zur Folge sind in Europa in den letzten 30 Jahren fast 80 % des bestehenden Insektenbestandes ausgestorben.

Doch wie ist dieser erschreckende Rückgang zu erklären und spielen die kleinen Tierchen überhaupt eine wichtige Rolle in unserem Leben? Hierfür haben wir mit der Imkerei Resch-Richter aus Offenstetten gesprochen. 

Die Agrarwirtschaft befindet sich in einer Biodiversitätskrise, unter anderem hervorgerufen durch eine zu intensive Land- und Forstwirtschaft. Besonders der Einsatz chemischer Pestizide und Pflanzenschutzmittel schadet den Insekten. Imkerin Sabine Resch sieht in dem Bienen- und Insektensterben verschiedenste Gründe:

“Es spielen vor allem Monokulturen, Pestizideinsatz in der Landwirtschaft, Klimawandel, Vernichtung von Lebensräumen und eingeschleppte Krankheiten wie die Varroa-Milbe eine große Rolle.”

Dabei sind die kleinen Tierchen wahre Geldmaschinen.

Die globale Agrar- und Ernährungswirtschaft verdient jedes Jahr etwa 250 Milliarden US-Dollar durch bestäubende Insekten. Dazu zählen neben den Bienen auch 200.000 weitere Tierarten, wie Schmetterlinge, Vögel oder Fledermäuse. Sie spielen eine zentrale Rolle bei der Erhaltung unseres Ökosystems und sind ausschlaggebend für unsere Nahrungskette. Ohne Insekten gäbe es kein Obst, kein Gemüse, keine Pflanzen, keine Blumen und auch keinen Honig. 75% der Pflanzensorten, die wir tagtäglich konsumieren, sind auf die Bestäubung durch Insekten angewiesen. 

 

Von allen bestäubenden Insekten spielt die Biene die wichtigste Rolle für unser Ökosystem.

So werden fast 80% aller Blütepflanzen von ihr bestäubt. Ein Leben ohne Biene bedeutet auch ein Leben ohne Vielfalt. Stell dir vor, du stehst beim Einkauf im Supermarkt vor leeren Regalen: keine Himbeeren, keine Äpfel, keine Gurke, keine Margarine, kein Kaffee, kein Shampoo. Was würde wohl passieren, wenn die Biene gänzlich von der Bildfläche verschwindet?

“Würde es keine Bienen mehr geben, würde es erhebliche Rückgänge bei der Ernte von Lebensmitteln geben. Das würde dazu führen, dass auch Obst und Gemüse zu Luxusprodukten werden würden.”, so Imkerei Resch- Richter.

Darüber hinaus gibt es tropische Pflanzen wie Vanille, Maracuja und Kakao, die sich ausschließlich durch die pelzigen Tierchen fortpflanzen.

Insekten sorgen nicht nur für schmackhaftes Obst und Gemüse auf unseren Tellern, sondern dienen gleichzeitig als Nahrungsmittel für Vögel, Amphibien und Fledermäuse. Die für viele oft furchteinflößenden Spinnen und Ohrenkneifer helfen bei der Regulierung von Insektenpopulationen. Ameisen sind hervorragende Putzer, die durch den Bau von Gängen zur Belüftung der Böden beitragen. 

Um dem Insektensterben entgegenzuwirken, ist es wichtig, unser Ökosystem zu schützen und die landwirtschaftliche Nutzung insektenfreundlicher zu gestalten. Zum einen bedarf es stärkere Anreize für die Reduktion des Pestizideinsatzes zu schaffen, um auf natürliche Alternativen umzusteigen. Als Ersatz eignen sich zum Beispiel Nützlinge wie der Marienkäfer, bei dem die unbeliebte Blattlaus ganz oben auf der Speisekarte steht. 

Zum anderen muss dem kontinuierlichen Anbau von Monokulturen entgegengewirkt werden, sodass die Pflanzenvielfalt auf unseren Feldern zurückkehrt. Das Aussetzen der EU-Neuregelungen zu Flächenstilllegung und Fruchtwechsel im kommenden Jahr kommt zu einem schwierigen Zeitpunkt.

Vor dem Hintergrund des Ukraine Krieges und einer möglichen Nahrungsmittelknappheit, dürfen Landwirte zukünftig mehr Flächen zum Anbau von Getreide nutzen. Auch die verpflichtende Flächenstillegung soll im kommenden Jahr einmalig ausgesetzt werden, um für den Anbau von Getreide, Sonnenblumen und Hülsenfrüchten genutzt zu werden.

Um die Bodenfruchtbarkeit zu erhalten, wird in der Landwirtschaft auf eine zeitliche Abfolge von Nutzpflanzen auf einem Acker geachtet. Demnach wird eine Pflanzenart nach einem Jahr nicht wieder auf dem gleichen Feld angebaut. Mit der Ausnahmeregelung beim Fruchtwechsel darf im kommenden Jahr auf den Anbau von Weizen erneut Weizen folgen. Dem Entstehen einer Artenvielfalt wird damit entgegengewirkt.

Ein Betrieb, der zeigt, wie es gehen kann, ist Familie Decker aus Rheinland.

Seit 2019 baut sie vor den Toren Kölns Quinoa an und beliefert damit Schwärmereien. Für sie steht ein verantwortungsbewusster Umgang mit dem Boden und der Umwelt an erster Stelle:

“Vielfältige Fruchtfolgen minimieren den Schädlingsbefall, weil so verhindert wird, dass sich pflanzentypische Schädlinge auf die Folgekulturen ausbreiten. Die verschiedenen Kulturen wurzeln zusätzlich verschieden tief in den Boden und benötigen unterschiedliche Nährstoffe, bzw. geben dem Boden auch Nährstoffe zurück. Das hat den Vorteil, dass mit natürlichen Mitteln für einen lockeren und hochwertigen Boden gesorgt werden kann.

 

Wir bauen in unserem Betrieb sieben verschiedene Kulturen an und stellen damit sicher, dass jedes Jahr eine andere Kultur auf dem Feld steht. Quinoa als Pflanze steht länger auf dem Feld als z.B. Getreide und bietet daher Insekten und anderen Tieren länger einen Lebens- und Schutzraum.”

Auch du kannst helfen den Insektenbestand zu sichern.

Imkerei Resch- Richter hat hierfür ein paar Tipps, die jede*r in seinem Alltag  umsetzen kann: 

  1. Unterstütze die Bienen indem du deinen Honig bei Imkern aus deiner Region kaufst.
  2. Sähe bienenfreundliche Pflanzen in deinem Garten und verzichte auf Pestizide
  3. Vor der Entsorgung im Glascontainer die Honiggläser immer auszuspülen, da sich in den Resten oft Krankheitserreger befinden, die gefährlich für die Bienen werden können.
  4. Stelle Nisthilfen und Tränken für Wildbienen im Garten auf, damit sich die kleinen Tierchen bei dir wohlfühlen und Kraft tanken können.
  5. Wie wäre es mit dem Bau eines Insektenhotels?

Anstatt dich also über die kleinen Tierchen zu ärgern, freue dich bei der nächsten Urlaubsreise über jedes Insekt, denn sie spielen eine unglaublich wichtige Rolle für unser Ökosystem und tragen in großem Maß zum Erhalt unserer Nahrungsmittelvielfalt bei.

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Marktschwärmer

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