Hitzewellen, Starkregen, Hagel und Stürme – das Wetter hat hierzulande in den letzten Monaten verrückt gespielt. Auch die Landwirtschaft bleibt von diesen Extremwetterereignissen nicht verschont.
Die Landwirtschaft war schon immer den natürlichen Schwankungen von Niederschlägen, Temperaturen und anderen Wetterbedingungen ausgesetzt. Neu ist jedoch, dass diese Wetterphänomene zunehmend häufiger und extremer auftreten: Hitzewellen, unerwartete Schneefälle und die wiederholten Regenfälle in diesem Frühjahr sind nur einige Beispiele für die zunehmende Intensität und Häufigkeit von Extremwetterereignissen. Dabei ist die Landwirtschaft sowohl Mitverursacher als auch Leidtragender des Klimawandels.
Globale Auswirkungen des Klimawandels
Betrachtet man die anhaltende Hitze und Trockenheit, die wir im letzten Sommer erlebt haben, scheinen die aktuellen Regenfälle wie ein Segen. In den vergangenen Monaten fiel so viel Niederschlag wie seit langem nicht mehr. Laut dem Deutschen Wetterdienst sind in den letzten zwölf Monaten deutschlandweit durchschnittlich über 1.000 Liter Regen pro Quadratmeter gefallen – ein Wert, der seit 1881 nicht mehr erreicht wurde. Durch die intensiven Regenfälle können Flüsse, Brunnen und unterirdische Grundwasserleiter wieder aufgefüllt werden.
Einige Studien deuten jedoch darauf hin, dass diese Regenfälle direkt mit der globalen Erwärmung zusammenhängen. In den letzten Jahren ist die weltweite Durchschnittstemperatur deutlich gestiegen. Je wärmer die Atmosphäre wird, desto mehr Wasser verdunstet. Nach der Clausius-Clapeyron-Gleichung kann die Luft mit jedem zusätzlichen Grad Temperaturanstieg zwischen 6 und 7 % mehr Wasser speichern.
Zwischen 1980 und 2011 hat sich die Luft im Nordatlantikraum um 1°C stärker erwärmt als der Durchschnitt. Dies führt dazu, dass 6-7 % mehr Feuchtigkeit verdunstet, in der Atmosphäre kondensiert und als Regen zurück auf die Erde fällt.
Schwere Regenfälle, kombiniert mit extremen Hitzewellen und daraus resultierender Dürre, scheinen in den letzten Jahren der Trend zu sein. Zweifellos im Zusammenhang mit den Auswirkungen die beiden Wetterphänomene El Niño und La Niña (ENSO – El Niño-Southern Oscillation), die zwar im Pazifischen Ozean entstehen, aber weltweit Auswirkungen haben.
El Niño sorgt in den meisten Fällen für wärmeres Wetter als gewöhnlich, was in Südeuropa zu feuchteren Herbst- und Wintermonaten führen kann. Im Gegensatz dazu bewirkt La Niña, dass die Meerestemperaturen im östlichen tropischen Pazifik sinken, was zu trockenerem Wetter in dieser Region führt. Diese Verschiebung beeinflusst das Wetter weltweit: Hitze und Regen wandern über den Ozean, was dazu führt, dass Australien, Indonesien und Südostasien feuchter und wärmer als gewöhnlich werden.
Einerseits erwärmen sich die Ozeane durch den Klimawandel immer schneller, andererseits wird das ENSO-El-Niño-Phänomen, das es seit Tausenden von Jahren gibt, voraussichtlich intensiver und unberechenbarer weiter bestehen.
Wie wirkt sich diese globale Erwärmung auf die Landwirtschaft aus?
Die Temperatur spielt eine entscheidende Rolle für das Wachstum einer Pflanze. Jede Kulturpflanze hat einen bestimmten Temperaturbereich, in dem sie am besten wächst und sich entwickelt, der je nach Pflanze und Entwicklungsstadium variiert. Liegt die Temperatur außerhalb dieses optimalen Bereichs, kann die Pflanze unter Hitzestress leiden.
Dies wirkt sich je nach Pflanzenart unterschiedlich aus: Einige Pflanzen blühen verfrüht, während andere ihr Wachstum einstellen. Pflanzen wie Mangold, Salat und anderes Blattgemüse benötigen milde Temperaturen und reagieren empfindlich auf Temperaturschwankungen. Bei extremer Hitze schießen sie in Blüte und sind nicht mehr zum Verkauf geeignet.
Nicht nur Hitze, sondern auch die damit einhergehende Trockenheit stellt eine erhebliche Belastung für die Pflanzen dar. Wenn der Wassergehalt im Boden unter einen kritischen Wert sinkt, wird die Versorgung der Pflanzenwurzeln mit Wasser und Nährstoffen unzureichend. Die Pflanze gerät in Trockenstress. In dieser Situation schließen viele Pflanzen ihre Spaltöffnungen, um Wasserverlust zu verhindern. Dies hat zur Folge, dass die Pflanzen weniger Wasser verdunsten können.
Gleichzeitig wird auch der Boden beeinträchtigt, da er ein optimales Feuchtigkeitsniveau benötigt, um den Pflanzen ein gesundes Wachstum zu ermöglichen. Ein langfristiger Mangel an Wasser kann sowohl die Pflanzen als auch den Boden negativ beeinflussen und die landwirtschaftliche Produktion gefährden. Landwirt*innen müssen dringend neue Strategien entwickeln, um dem drohenden Wassermangel zu begegnen und die Wasserversorgung ihrer Pflanzen zu sichern.
Schon jetzt sind bereits Veränderungen in den natürlichen Zyklen der Pflanzen zu beobachten:
“Pflanzen reagieren äußerst sensibel auf Veränderungen wie Lichtschwankungen oder Temperaturschwankungen. Dies führt dazu, dass wir bei steigenden Temperaturen Blüten von Pflanzen und Bäumen zu Zeiten sehen, in denen sie normalerweise nicht blühen sollten. Auch Insekten erscheinen früher als üblich und beginnen mit der Bestäubung.”
Bereits heute beobachten wir, dass der Beginn der Vegetationsperiode vieler Pflanzen deutlich vorgezogen wird. So blühen Herbst-Winter-Gemüse (wie Brokkoli oder Blumenkohl) frühzeitig. Auch Apfelbäume und Raps blühen laut Deutschem Wetterdienst heute rund 20 Tage früher als noch vor 50 Jahren.
Das kann in gewisser Weise positiv sein: Eine verlängerte Vegetationsphase ermöglicht es Gemüsebetrieben in Deutschland, mehrere Ernten pro Jahr einzufahren. Aber es bringt auch viel Unsicherheit mit sich:
“Wenn sich das Wetter plötzlich ändert, können wir einen Teil oder die gesamte Ernte verlieren.“
Zudem besteht die Gefahr, dass späte Fröste erhebliche Schäden verursachen, wenn die Pflanzen zu früh austreiben. Wenn bei Obstbäumen Blüten und Knospen oder bei Weinreben die Triebspitzen erfrieren, kann dies die gesamte Ernte gefährden.
Neben diesen frostbedingten Risiken bringen mildere Winter andere Herausforderungen mit sich: Pflanzenschädigende Pilze, Viren und Insekten können sich stärker ausbreiten, und das Sortenspektrum verschiebt sich, wie es beim Wein der Fall ist, der mit dem Klimawandel nach Norden wandert. (Mehr dazu in unserem Interview mit Winzer Guido Seyerle)
Der Klimawandel lässt sich besonders am Anbau mediterraner Sorten erkennen. So werden in den südlichen deutschen Räumen immer mehr italienische und französische Arten gepflanzt. Vor allem der Riesling bekommt bei solchen Temperaturen wie diesen Sommer Sonnenbrand, welcher sich durch eine Bitternote im Wein bemerkbar macht. Man muss die Pflanze so stärken, dass sie mit den Einflüssen des Klimawandels zurechtkommt.
Die globale Erwärmung belastet auch zahlreiche Insektenpopulationen, insbesondere in Gebieten intensiver Landwirtschaft mit geringer natürlicher Vegetation. Diese Belastung führt zu einer unzureichenden Bestäubung, was bei Pflanzen wie Zucchini und Bohnen häufig zu Missbildungen und Ernteausfällen führt.
Ein weiterer Effekt der steigenden Jahresmitteltemperaturen ist die Verlängerung der Lebensdauer von Schädlingen. So ist zu beobachten, dass Insekten wie die schwarze Fliege oder Blattlaus, die früher typischerweise im Sommer und Frühling auftraten, mittlerweile auch in den Wintermonaten aktiv sind.
„Frost hat diese Insekten früher in den kalten Monaten in ihrer Aktivität eingeschränkt, aber durch die wärmeren Winter überleben sie länger und beeinträchtigen unsere Kulturen“
Darüber hinaus führt der Klimawandel zu einem Anstieg extremer Wetterereignisse. Diese Extremwetterlagen stellen für die Landwirtschaft eine enorme Herausforderung dar: Dürreperioden führen zu Wasserknappheit, die das Pflanzenwachstum stark einschränkt und die Ernteerträge mindert. Starkregenereignisse hingegen können zu Überschwemmungen führen, die Felder zerstören, Erosion verursachen und die Bodenqualität verschlechtern. Hinzu kommt, dass diese Wetterextreme unvorhersehbar und in ihrer Häufigkeit und Intensität steigend sind, was eine langfristige Planung für die Landwirte erheblich erschwert.
Trotz der tiefgreifenden Veränderungen, die die Landwirtschaft in der Zukunft erleben wird, bleiben Landwirt*innen beständig und anpassungsfähig. Sie betonen, dass “wir uns an die kommenden Zeiten anpassen und neue Praktiken übernehmen müssen.” Dabei werden sorgfältige Beobachtung, Kreativität und Resilienz zu entscheidenden Verbündeten im Umgang mit den Herausforderungen. Durch innovative Ansätze und flexible Anpassungen leisten Landwirt*innen weiterhin einen entscheidenden Beitrag zur Sicherung der Lebensmittelversorgung und zur Stabilität der Nahrungsmittelproduktion, auch wenn die Rahmenbedingungen zunehmend anspruchsvoller werden.
Dieser Artikel enthält verschiedene Erfahrungsberichte von Landwirt*innen aus dem Marktschwärmer-Netzwerk.
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